Den Vorsitzenden Andreas Grünewald führte die Thematik „Automatisiertes Fahren“ im vergangenen Jahr sogar bis nach San Francisco, wie er in seinem Jahresbericht erzählte. Aus Übersee holte er eigens Informationen zum Stand der Dinge im Silicon Valley bei Tesla, Google und Co. Sein Fazit: „So wie wir uns voll-automatisiertes Fahren vorstellen, wird es bis 2020 oder 2025 aller Wahrscheinlichkeit nach nicht verwirklicht werden können.“ Zwar fahren im Land der unbegrenzten Möglichkeiten schon kleine Autos ganz ohne Lenkrad herum. „Wenn im aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum vollautomatisierten Fahren aber steht, dass der Fahrer in Deutschland jederzeit wahrnehmungs- und eingriffsbereit sein muss, kickt das das Auto ohne Lenkrad ins Aus – denn dann darf der Fahrer die Hände tatsächlich keine Sekunde vom Steuer nehmen. Und die Füße muss er wahrscheinlich über der Bremse schweben lassen.“
Ob aus der Idee zum vollautomatisierten Fahren am Ende doch nur ein fremd-bestimmtes Fahren wird? Manchmal kann man sich dieses Gedankens nicht erwehren, vor allem, wenn man an die Daten denkt, die sich über „automatisierte Fahrer“ sammeln lassen. Grundsätzlich sollen die dem Fahrer gehören, so Dr. Georg Freytag, Referent im Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr über den Gesetzentwurf zum automatisierten Fahren. Aber: Der Halter kann unkompliziert gesetzlich verpflichtet werden, Daten an Behörden herauszurücken. Und auch in Sachen Fahrschulüberwachung könnten ganz neue Konstrukte denkbar sein.
Erfahrung muss erworben werden
Nach Ansicht von Kurt Bartels, der als 2. Stellvertretender Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände zum Thema „Fahrlehrerberuf 2025“ referierte, wirft vor allem die Sache mit der „jederzeitigen Wahrnehmungs- und Eingriffsbereitschaft“ Probleme auf. „Jeder weiß, dass Verkehrssicherheit in erheblichem Maße mit der Erfahrung des einzelnen Autofahrers steht und fällt“, so Bartels. „Erst nach ungefähr zwei Jahren kann man davon ausgehen, dass ein Fahranfänger im Straßenverkehr so ziemlich alles gesehen hat, was es zu sehen gibt – vom umgefallenen Lkw bis hin zum unachtsamen Radfahrer.“ Erfahrung müsse man sich aber sprichwörtlich erfahren. „Da frage ich mich: Wie sollen junge Menschen das anstellen, wenn sie nach der Ausbildung auf ein Auto umsteigen, das diese Erfahrung zwar erfordert, es aber nicht ermöglicht, sie zu erwerben?“
Ein weites Feld für die Neuausrichtung des Fahrlehrerberufs. Die Sachsen sind bereit – und engagiert, wie Andreas Grünewalds Jahresbericht bewies. Der Verband unterhält sogar einen eigenen Arbeitskreis zum Thema automatisiertes Fahren, daneben je einen Arbeitskreis Behindertenausbildung und Fahrerlaubnisprüfungen. Auf dem Parkett der Landespolitik sind die Sachsen ebenso Dauergäste wie bei der Dekra, und in Sachen Fortbildung haben die Mitglieder beinahe so etwas wie die „Qual der Wahl“ unter den zahlreich angebotenen Themen.
Auf der einen Seite das anbrechende Zeitalter des automatisierten Fahrens, auf der anderen Seite der Fahrlehrer – dass der Beruf Grips und eine Menge Fachwissen erfordert, scheint dem Gesetzgeber bei der Verabschiedung des neuen Fahrlehrerrechts nicht ganz so klar gewesen zu sein. Die Tatsache, dass man nicht einmal mehr einen Hauptschulabschluss braucht, um Fahrerlehrer werden zu können, liegt den sächsischen Kollegen schwer im Magen. Andreas Grünewald: „Wir sind zwar dankbar dafür, dass die Ausbildungszeit insgesamt verlängert worden ist.“ Um den Beruf auszufüllen, brauche man aber auch entsprechende geistige Fähigkeiten, gerade, wenn zu Recht ein starker Fokus auf der Pädagogik in der Fahrschule liegt. „Wenn ich in 20 Jahren immer noch hier sein sollte, hoffe ich, als Vorsitzender dann nicht Leuten gegenüber zu stehen, die weder lesen noch schreiben können.“
Kooperation mit den Verkehrsunfallkommissionen
Ein ganz neues Tätigkeitsfeld für die sächsischen Fahrlehrer könnte sich in Bezug auf eine Zusammenarbeit mit den Verkehrsunfallkommissionen des Landes ergeben. Thomas Schulze, Abteilungsleiter der Straßenverkehrsbehörde, stellte auf der Mitgliederversammlung die Arbeit der Verkehrsunfallkommission der Stadt Leipzig vor, informierte über die wissenschaftliche Herangehensweise an Unfallschwerpunkte und die Entwicklung möglicher Strategien zur Entschärfung derselben. Die sächsischen Fahrlehrer sind hier sehr offen für Diskussionen und Kooperationen – beispielsweise hinsichtlich der gezielten Aufnahme von Unfallschwerpunkten in Ausbildung und Prüfung, aber auch in Bezug auf die Weitergabe von Informationen darüber, dass oder warum viele Fahrschüler an den immer gleichen Stellen immer wieder die gleichen Fehler machen.
Auf breite Zustimmung ist bei den Sachsen eine politische Entscheidung aus Brandenburg gestoßen: Das Land wird in den Modellversuch zu AM 15 einsteigen. „In Sachsen hält der positive Trend von AM 15 weiter an“, so Dr. Georg Freytag in seinem Vortrag über die aktuelle Verkehrspolitik des Freistaates Sachsen. „Vor allem Jugendliche aus ländlichen Gebieten nehmen AM 15 in Anspruch – und schneiden in den Prüfungen signifikant besser ab als ihre nur ein Jahr älteren Generationskollegen bei AM 16.“ Freytag will sich für die Ausweitung von AM 15 auf das gesamte Bundesgebiet einsetzen, trotz noch immer zahlreicher Widerstände vor allem in den alten Bundesländern und im Bundesministerium. „Die Statistik spricht aber für sich und es gibt kaum eine bessere Möglichkeit, die Motivation der Jugendlichen zugunsten der Verkehrssicherheit zu nutzen“, so Freytag.
Neuigkeiten aus dem Prüfgeschehen überbrachte der Dekra-Leiter Fahrerlaubniswesen Andreas Schmidt. Auch er begrüßt, dass AM 15 nun auch im Nachbarland möglich ist. In Sachen Fahrschulprüfungen liegt Sachsen bei den Praktischen Erfolgsquoten erfolgsmäßig im Bundesdurchschnitt, doch auch hier schwächeln mehr Schüler in der Theorie seit der Einführung der neuen dynamischen Filmszenen. „Die Szenen ermöglichen uns, unzureichend vorbereitete Prüflinge besser herauszufiltern“, so Schmidt. Dennoch wies Kurt Bartels darauf hin, dass es ein kluger Schachzug sein könnte, bei den Vorprüfungen zur theoretischen Prüfung nachzulegen. „Dass so viele Schüler durch die theoretische Prüfung durchfallen, obwohl sie in der Vorprüfung keine Probleme hatten, könnte an gewissen Betrügereien liegen – vielleicht hat die Vorprüfung ja gar nicht der Schüler selbst absolviert, sondern jemand anders – damit der Schüler früher zur Prüfung und sich vielleicht durchmogeln kann. Man könnte gesetzlich festlegen, dass die Vorprüfung in einer Fahrschule stattzufinden hat. Dann würden Schüler, die schlecht oder gar nicht vorbereitet sind, gar nicht erst zur Prüfung zugelassen werden.“
Zu guter Letzt standen bei der Mitgliederversammlung des Fahrlehrerverbandes noch Wahlen ins Haus: Peter Losleben wurde als 1. Stellvertreter des Vorsitzenden einstimmig wiedergewählt. Der Verband, der momentan 358 Voll- und 30 Schnuppermitglieder zählt, trifft sich 2018 am 5. Mai in Chemnitz.
(Judith Böhnke)