Siebzig Jahre gibt es ihn schon, den Fahrlehrer-Verband Schleswig-Holstein. Im Jubiläumsjahr war das auf der Mitgliederversammlung in Kiel Grund genug, kurz zurückzublicken. Die lange Geschichte ist vor allem aber Auftrag für die Zukunft. „Wir wollen junge Leute für Verbandsarbeit begeistern“, sagte Frank Walkenhorst, Landesvorsitzender des Fahrlehrer-Verbandes vor den rund 190 Teilnehmern im Hotel Atlantic.
Aus diesem Grund hat der Verband den „Arbeitskreis Zukunft“ gebildet. Dieser besteht aus jungen Fahrlehrern und beschäftigt sich mit Fragen, die für die Branche in den nächsten Jahren drängend werden – etwa Autonomes Fahren oder Assistenzsysteme. „Mit unserem AK Zukunft setzen wir einen guten Impuls“, zeigte sich Walkenhorst überzeugt. Dass das nötig ist, präsentierte er eindrucksvoll anhand der Altersstruktur der Fahrlehrer: Knapp 68 Prozent der Mitglieder seines Verbandes sind über 50 Jahre alt.
Erfreuliche Nachrichten konnte der Landesvorsitzende bei der Zahl der Mitglieder verkünden. „Hier sind wir zum ersten Mal seit langer Zeit im Plus.“ 28 neuen Fahrlehrern standen 2016 27 Austritte oder Todesfälle gegenüber.
Berichtsheft und Tagesnachweis
Walkenhorst schnitt in seinem Vortrag die wichtigsten Themen an, die Fahrlehrer zurzeit beschäftigen. Ein Dauerbrenner: die Fahrlehrerrechtsreform. Der Verbandschef verwahrte sich gegen den von der Politik proklamierten Eindruck, der Wegfall von Berichtsheft und Tagesnachweis sei ein Beitrag zur Entbürokratisierung. „Das ist Augenwischerei“, monierte er. Beides hätte auch weiterhin Sinn und werde – auch wenn es nicht mehr im Gesetz steht – in der Praxis weitergeführt.
Negativ für die Branche sind aus seiner Sicht auch die Regelungen zu den Zweigstellen. „Der Trend zu größeren Einheiten wird kommen. Wir wollen das nicht, da ansonsten die Flächenabdeckung in Gefahr ist“, kritisierte Walkenhorst.
Für die kommenden Jahre sieht Walkenhorst gute Chancen für die Fahrschulen im Land – vor allem durch die Zuwanderung. „Viele Fahrschulen sind aktiv in der Sprachvermittlung für Migranten tätig und sorgen so für zusätzliches Geschäft“, berichtete er.
Prominenter Gast auf der Mitgliederversammlung war der Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie des Landes Schleswig-Holstein, Reinhard Meyer. Der SPD-Politiker beschäftigte sich in seinem Vortrag vor allem mit der maroden Infrastruktur. Dabei gab er sich schuldbewusst: „Wir haben jahrzehntelang zu wenig Geld in die Infrastruktur investiert.“ Das sei nun vorbei: „Am Geld scheitert es zurzeit nicht, wir haben genug, um die Projekte umzusetzen.“ Das Problem seien die Verfahren, die zu langwierig und komplex seien. Bis der Sanierungsrückstau abgearbeitet sei, wird es Jahre dauern – in Schleswig-Holstein etwa bis 2030. Bis dahin werden Fahrlehrer mit zahlreichen Behinderungen rechnen müssen: „Baustellen gehören leider dazu.“
„Wir werden keine Verbrennermotoren mehr haben"
Ein weiteres Thema des Ministers: die Mobilität der Zukunft. Das Ende des Benziners und Diesels ist für Meyer ausgemachte Sache: „Wir werden keine Verbrennermotoren mehr haben, das wird schnell gehen.“ Beim Thema Autonomes Fahren sei die Sache komplizierter: „Können wir uns in Deutschland wirklich vorstellen, dass die Fahrer freiwillig ihre Hände vom Lenkrad nehmen?“, fragte er in die Runde und folgerte: „Sie als Fahrschulen werden sicher auch weiterhin noch Kunden haben.“
Auch zu den aktuellen Entwicklungen im Fahrlehrerrecht nahm der SPD-Mann Stellung: „Das ist kein Thema, mit dem ich mich jeden Tag beschäftige.“ Er forderte die Fahrlehrerschaft auf: „Wenn Sie Nachsteuerungsbedarf sehen, treten Sie an mich heran.“ Noch sei Zeit für Korrekturen, unter anderem durch eine zweite Runde im Bundesrat.
Freier Mitarbeiter in der Fahrschule
Diesen Ball nahm Kurt Bartels, 2. stellvertretender Vorsitzender des Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, umgehend auf. In einer engagierten Rede gab er dem Minister einiges mit auf den Weg. Beispiel freier Mitarbeiter. „Es darf diesen in der Fahrschule nicht geben!“, forderte er Meyer auf, das Gesetz an dieser Stelle zu konkretisieren und die freie Mitarbeiterschaft im Text ausdrücklich auszuschließen. „Das unternehmerische Risiko darf nicht von den Fahrschulinhabern auf freie Mitarbeiter abgeschoben werden.“ Auch die Bedenken der Fahrlehrerschaft in Sachen Kooperation und Zweigstellen trug er vor.
Beim Thema Assistenzsysteme und Autonomes Fahren sei es wichtig, die Realität dieser Systeme im Blick zu behalten. Um die komplexen und sehr unterschiedlichen Assistenzsysteme richtig anzuwenden, bedürfe es einer intensiven Schulung. „Unser Ansatz ist es, Assistenzsysteme zeitnah in Ausbildung und Prüfung zu integrieren“, kündigte Bartels an. Wichtig dabei: „Die Ausbildung wird das verlängern, das sollte jedem klar sein.“ Gleichzeitig sei es eine Gefahr für die Verkehrssicherheit, wenn junge Fahrer direkt nach der Ausbildung mit hochautomatisierten Fahrzeugen auf der Straße unterwegs sind. „Ein junger Fahrer braucht rund 50.000 Kilometer oder drei Jahre Erfahrung, um Automatismen auszubilden.“ Diese sind jedoch auch im Zeitalter der hochautomatisierten Systeme gefragt, schließlich soll der Fahrer in kritischen Situationen schnell die Kontrolle über das Fahrzeug wiedererlangen.
Dramatischer Anstieg bei Täuschungsversuchen
Für den TÜV Nord Mobilität präsentierte Peter Schmidtke die aktuellen Zahlen der theoretischen und praktischen Prüfung. „Seit 2013 verzeichnen wir hier stetige Zuwächse“, berichtete er. Auch das Jahr 2017 ist sehr gut angelaufen.
Das wichtigste Thema bei den Prüfungen ist zur Zeit deutschlandweit die Entwicklung der Nicht-Bestehens-Quoten. In Schleswig-Holstein ist diese Quote mit 23,8 Prozent bei den praktischen Prüfungen noch relativ gering - wenn auch hier „leicht ansteigend“. Das nördlichste Bundesland wies damit im „Ranking“ der Bundesländer die drittniedrigste Quote auf. Ein ähnliches Bild zeichnete Schmidkte bei der Theorie: Hier liegt Schleswig-Holstein auf Platz 2 mit „nur“ 29,6 Prozent nicht-bestandenen Prüfungen. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei 33,3 Prozent.
Absolut im Trend liegt bei den Fremdsprachenprüfung Hocharabisch. „Wir haben hier einen starken Anstieg, rund fünf Prozent aller Prüfungen werden in dieser Sprache abgehalten“, so Schmidtke. Er rechnet für 2017 mit leicht rückläufigen Zahlen beim Hocharabisch, jedoch weiterhin „auf hohem Niveau“.
Ein ganz akutes Problem bei den Theorieprüfungen ist die explodierende Zahl der Täuschungsversuche. „Diese sind massiv angestiegen“, sagte Schmidtke und fürchtet, dass das nur die Spitze des Eisbergs ist. Es gebe ein Wettrüsten zwischen Betrügern und Prüfern. „Das ist eine erschreckende Zahl, wir kämpfen hier Seite an Seite“, ergänzte Frank Walkenhorst.
(tr)