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Die Sorge um das Bildungsniveau

16.05.2017 11:12 Uhr
Der Vorstand des Fahrlehrer-Verbandes Westfalen
© Foto: Ulrich Lieber

Die Zugangsvoraussetzungen für den Fahrlehrerberuf beschäftigten den Landesverband Westfalen und seinen Vorsitzenden auf der Mitgliederversammlung in Werl.

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Wer glaubt, dass Westfalen alles mit stoischer Ruhe hinnehmen, der kennt Friedel Thiele nicht. Der Vorsitzende des Fahrlehrer-Verbandes Westfalen präsentierte sich auf der Mitgliederversammlung in der Stadthalle in Werl sehr emotional. „Wir dürfen es uns nicht gefallen lassen, dass Politik und der Gesetzgeber unseren Berufsstand der Fahrlehrer zu den Deppen der Nation machen“, rief Thiele seinen Mitgliedern zu.

Hintergrund ist der Passus im neuen Fahrlehrerrecht, der keinen mittleren Bildungsabschluss für künftige Fahrlehrer mehr vorsieht. „Jetzt ist noch nicht einmal mehr der Hauptschulabschluss gefordert. Wir haben auch eine ganz besondere Verantwortung gegenüber den Kindern der Fahrlehrer, die in die Fußstapfen der Eltern treten wollen.“ Es sei wichtig, hier eine Perspektive zu bieten, die zukunftssicher sei.

Friedel Thiele ist mit Leib und Seele Fahrlehrer und Vorsitzender des Verbandes, aber er macht sich große Sorgen um die Zukunft des Berufsstandes. Er befürchtet, dass demnächst die Fahrlehrer ein niedrigeres Bildungsniveau haben als der Fahrschüler, der daneben sitzt, denn 50 Prozent der jungen Leute erwerben mittlerweile das Abitur. Dabei sollte die pädagogische Qualität laut Koalitionsvertrag eigentlich verbessert werden. „Wenn das Ergebnis ist, dass ein Berichtsheft als pädagogisch wichtiges Handwerkszeug fallen gelassen wird, dann ist das für mich schizophren.“

"Das ist aber nicht bedrohlich"

In seinem Geschäftsbericht stellte der Vorsitzende die Arbeit des Verbandes vor. Die Anzahl der Fahrschulen und der Mitglieder sei leicht gesunken, wobei Westfalen mit einem Mitgliederverlust von sieben Prozent in zehn Jahren noch sehr gut liege. Derzeit gibt es in Westfalen 2376 Fahrschulen (Vorjahr 2401), im Jahr 2009 seien es noch 2705 Betriebsstätten gewesen. „Das ist aber nicht bedrohlich. Jeder Bürger Deutschlands findet ausreichend Fahrschulen in seiner näheren Umgebung“, versicherte Thiele.

Die Fahrlehrerversicherung bildet für den Vorsitzenden eine ganz wichtige Säule. „Unser Berufsstand kann stolz sein, dass er eine eigene Fahrlehrerversicherung hat, um die uns viele beneiden. Was wären wir Landesverbände und was wäre die Bundesvereinigung ohne die Fahrlehrerversicherung?“ Zudem empfahl Thiele allen Fahrlehrern, auch Mitglied in der Freiwilligen Fahrlehrer-Kameradschaftshilfe zu werden, die im Todesfall 7000 Euro zur Verfügung stelle.

Bernd Nentwig stellte in Werl die Produktneuheiten der Audi AG vor. Der Audi Q2 sei sehr beliebt in der Fahrlehrerschaft, und für den Q5 soll die Fahrschulausstattung mit dem Modellwechsel Anfang Juni erfolgen. Nentwig warb zudem für das „Audi-balanced-mobiling-e-gas-project“. Ziel sei hier die Erzeugung von synthetischem Methan als Kraftstoff für eine CO2-neutrale Langstreckenmobilität.

Ein weiteres Thema in Werl war die Fahrerlaubnisklasse AM, die in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen derzeit für Jugendliche ab 15 Jahren getestet wird. Das Land Brandenburg habe dies nun auch beantragt und werde es ab sofort einführen. Ministerialrat Dieter Kettenbach vom Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW sagte dazu: „Die Länder berichten, dass es bezüglich der Unfallentwicklung bisher keine Auffälligkeiten gegeben habe.“ Die anderen Länder, darunter auch NRW, wollen trotzdem erst die Auswertungen abwarten.

Kettenbach ging auch auf die Klage der Europäischen Kommission ein, die eine klare Unterscheidung bei den Führerscheinklassen zur Personenbeförderung erwartet. „In einem ersten Aufschlag hatten wir eng an die dritte Führerscheinrichtlinie angelegt geregelt, dass Fahrer von Fahrzeugen zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen, die zur Personenbeförderung ausgelegt und gebaut sind, zukünftig eine Fahrerlaubnis der Klasse D1 benötigen.“ Wäre es dabei geblieben, wäre es aber ein „mittelgroßes Chaos“ geworden, denn das hätte bedeutet, dass eine Vielzahl von Fahrzeugen der Feuerwehr, Polizei oder Katastrophenschutz und viele weitere nicht mehr mit der Fahrerlaubnis C1 hätten gefahren werden dürfen. Darum habe man einen weiteren Absatz ins Gesetz eingefügt, der es ermöglicht, dass die Fahrzeuge mit einer „besonderen Zweckbestimmung“ weiterhin mit C1 gefahren werden dürfen.

Abschließend berichtete der Ministerialrat über die Entwicklungen durch die Zuwanderung. Die Führerscheinprüfung auf Hocharabisch werde gut angenommen. Alle 2300 Aufgaben seien übersetzt worden, und von den bundesweit 44.200 Prüfungen auf Hocharabisch entfielen 11.100 auf Nordrhein-Westfalen. Die Besteherquote liege bei 59 Prozent und sei damit vergleichbar mit den Prüfungen in anderen Fremdsprachen wie Englisch oder Spanisch.

Vorsicht bei den freien Mitarbeitern

Beim Thema „Freie Mitarbeiter“ in den Fahrschulen appellierte Dieter Quentin, stellvertretender Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, an die Anwesenden, die Sozialversicherungspflicht im Auge zu behalten. Verwaltungsrechtlich und steuerrechtlich gebe es keine Probleme, aber die Bestimmungen, die sozialversicherungsrechtlich greifen, müssen beachtet werden. Auf eine abhängige Beschäftigung seien Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. „Bevor Sie einen Freelancer gegen Rechnung beschäftigen, sichern Sie sich bitte noch einmal bei den entsprechenden Stellen ab, ob es auch tatsächlich sozialversicherungsrechtlich in Ordnung ist.“

Quentin wies darauf hin, dass sich der Berufsstand verändert: „Wir haben eine schwindende Anzahl von Fahrlehrerinnen und Fahrlehrern, und wir haben erheblich weniger selbstständige Fahrschulen.“ Es sei ein Wandel zu etwas größeren Einheiten zu verzeichnen. „Niedersachsen hat viel Fläche, hat aber erheblich weniger Einwohner als Nordrhein-Westfalen. Mir liegen die kleinen Fahrschulen sehr am Herzen“, bekräftigte Quentin, der auch Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Niedersachsens ist, seinen Kollegen Friedel Thiele, der sich ebenfalls für die Familienbetriebe stark macht. „Ich bin der Letzte, der in irgendeiner Form einer Kettenbildung zujubeln würde in Bezug auf Aldi- und Lidl-Fahrschulen“, sagte Quentin. „Ich möchte, dass die Grundbedürfnisse der Bevölkerung in Bezug auf die motorisierte Mobilität auch im letzten Winkel der Bundesrepublik erfüllt werden. Das leisten auch kleinere Fahrschulen.“

Zur Reform des Fahrlehrerrechts fasste Quentin noch einmal die wichtigsten Aspekte zusammen. „Es ist ein Fehler, dass hier A und CE als Zugangsvoraussetzung wegfallen.“ Das gelte auch für die Tatsache, dass künftig überhaupt kein Schulabschluss für die Ausbildung zum Fahrlehrer mehr benötigt werde. Positiv bewertet Quentin die Verlängerung der Ausbildung von 1194 auf minimal 1541 Stunden. „Der Berufsstand hat schon vor vielen Jahren eine deutliche Verlängerung der Fahrlehrerausbildung gefordert.“ Man sei sogar schon einmal vom Bundesverkehrsministerium aufgefordert worden, ein Konzept über eine 24-monatige Ausbildung zu erstellen. „Das hätte nämlich den Vorteil gehabt, dass es auch tatsächlich ein anerkannter Beruf geworden wäre, denn so bleibt es ein Fortbildungsberuf“, erklärte Quentin. Denn 24 Monate Ausbildungszeit seien das Minimum, um ein anerkannter Beruf zu sein. Doch die 24 Monate hätten sich nicht durchsetzen lassen. Die nun vereinbarte Verlängerung um 30 Prozent sei ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Beim Blick in die Zukunft beschäftige sich Dieter Quentin mit dem automatisierten Fahren. Das Thema sei der Bundesregierung wichtig, sie stellt rund 80 Millionen Euro für Teststrecken zur Verfügung. Aber es gebe zahlreiche Hürden auf dem Weg zum autonomen Fahren, und die erste Hürde sei der Mensch. „Will der überhaupt automatisiert fahren oder autonom gefahren werden?“ Die Frage sei, wie der Mensch darauf reagiere. Oft fehle das richtige Vertrauen in die Technik. Testfelder gebe es zwischen München und Nürnberg auf der A9 sowie in Niedersachsen auf 280 Kilometern in einem Dreieck zwischen Braunschweig, Hannover, Salzgitter und Teilen von Wolfsburg. Auch das Stadtgebiet Braunschweig werde als Testfeld genutzt.

Quentin wies in diesem Zusammenhang auf das „Wiener Übereinkommen“ hin, das regelt, dass der Mensch immer noch als letzte Instanz eingreifen kann. Das Übereinkommen sei von den USA und Großbritannien nicht unterschrieben worden. Es gebe zudem ethische Fragen, denn bislang werden mehrere tausend Verkehrstote von der Gesellschaft akzeptiert, die zumeist aufgrund menschlichen Versagens ums Leben kommen. „Wie wird das in der Zukunft sein? Was akzeptieren wir da?“ Ein weiteres Problem sei die Datensicherheit, denn Computer könnten gehackt werden. Bevor es soweit sei, dass alle autonom fahren, werde noch viel Zeit ins Land gehen.

Begleitetes Fahren ab 16?

Bernd Rimpl vom TÜV Nord stellte den Fahrlehrern in Werl die aktuellen Zahlen vor. Das Begleitete Fahren ab 17 sei mittlerweile rückläufig und liege nur noch bei 45,1 Prozent. Ein Trend, der sich auch in anderen Bundesländern abzeichne. „Es ist meiner Ansicht berechtigt, über das Begleitete Fahren ab 16 nachzudenken. Ich denke nämlich, dass das Begleitete Fahren ab 17 zu kurz ist“, sagte Rimpl. Deshalb sei ein Vorziehen auf 16 Jahre durchaus eine Diskussion wert.

Für die Fahrlehrerversicherung trug Vorstandsmitglied Thomas Freythaler den Jahresbericht vor und freute sich über eine stabile Entwicklung. Die Zahl der Risiken sei bei leicht gestiegenen Beiträgen gleich geblieben. So habe man zum Jahresende einen leichten Überschuss erwirtschaftet. „Uns geht es gut in unserer Nische“, sagte Freythaler. Er wies auf das neue Kundenportal hin, das sich als Erfolgsgeschichte erweise und sehr schnell von den Kunden angenommen worden sei.

Friedel Thiele hatte es schon zu Beginn der morgendlichen Versammlung angedeutet und von einer „besonderen Versammlung“ gesprochen. Ursprünglich hatte Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, sein Kommen zugesagt, doch nachts um 0.38 Uhr erreichte Thiele eine SMS mit dem Verweis auf eine E-Mail. Wegen wichtiger politischer Termine musste Lindner passen, doch er hatte schnellstens Ersatz organisiert, und der war ebenfalls hochkarätig.

Christof Rasche, Mitglied des Landtages und des Ausschusses für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr, war kurzfristig eingesprungen und nutzte kurz vor der Landtagswahl das Forum in der Stadthalle Werl. Der parlamentarische Geschäftsführer und verkehrspolitische Sprecher der FDP präsentierte sich aufgeräumt. Ganz wichtig sei in diesem Saal die Frage: „Bei wem habe ich meinen Führerschein gemacht?“ Tatsächlich saß sein früherer Fahrlehrer mit im Saal. Er habe gelernt, dass Fahrlehrer viele Stunden mit ihren Schülern verbringen und diese auch menschlich prägen. „Das, lieber Hans, hast Du bei mir zumindest gut gemacht, und bei den anderen Schülern sicher auch.“

Rasche erinnerte sich an einen wichtigen Tipp seines Fahrlehrers. „Jungs, passt auf, wenn bei Euch die Nasenhaare wachsen, das sieht nicht gut aus. Die Frauen sehen das auch.“ Damit hatte der Liberale die Lacher auf seiner Seite. Zum Thema Verkehr, das die Fahrlehrer besonders interessierte, sagte Rasche: „Wir sind Stauland Nummer eins.“ Es müsse nicht nur saniert, sondern auch weiter ausgebaut werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

(Ulrich Lieber)


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