Die Fahrlehrerrechtsreform biegt auf die Zielgerade – und wird wohl zum 1. Januar 2018 in Kraft treten. Auf der Mitgliederversammlung des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg in Pforzheim informierte der Verband über die wichtigsten Neuerungen und diskutierte über strittige Punkte.
Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes, berichtete den 400 Teilnehmern im Saal über den aktuellen Stand der Reform. Er zog ein grundsätzlich positives Fazit: Das Gesetz könne dazu beitragen, „den Berufsstand fit für die Zukunft zu machen.“ Vor allem die Verlängerung der Fahrlehrerausbildung und die Verlagerung „weg von der Schräubchen-Kunde hin zu intensiveren Vermittlung pädagogischer Kompetenzen“ sei ein Schritt in die richtige Richtung.
Auf der Negativ-Seite steht für Klima vor allem, dass der von den Verbänden geforderte mittlere Bildungsabschluss als Eingangsvoraussetzung für den Nachwuchs wohl nicht kommen wird. Auch der geplante Eignungsnachweis mit einem wiederkehrenden Check der Sehkraft macht dem Vorsitzenden große Sorgen. „Da können ganz schnell Existenzen in Gefahr geraten. Hier muss dringend nachgebessert werden“, appellierte er an die Politik.
Klima wies in seinem Vortrag auch auf die Entwicklung des Fahrschulsektors hin. Er mahnte, sich nicht auf den zurzeit relativ auskömmlichen Zahlen auszuruhen. Der demografische Wandel schlage erst in den nächsten Jahren voll durch und könne durch die Zuwanderung nur abgeschwächt, aber nicht verhindert werden. „Zum Überleben sind weitere Standbeine und Kooperationen zwingend“, rief der Verbandsvorsitzende den Fahrlehrern im Congress-Centrum Pforzheim zu.
Elektromobilität und Automatikeintrag
Prominenter Gast der Mitgliederversammlung war der Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg, Winfried Hermann. Der Grünen-Politiker sprach zu den Neuregelungen im Fahrlehrerrecht sowie zu den „Chancen der neuen Mobilität“. Hermann verwies auf die Rolle der Länder im Gesetzesprozess und stellte fest: „Ich bin stolz, dass wir das jetzt geschafft haben.“ Der Minister sieht zahlreiche Fortschritte – etwa bei den Kooperationsmöglichkeiten, dem Zugang von Frauen zum Beruf und der Entbürokratisierung.
Kritisch sieht er, genau wie Verbandschef Klima, die Zugangsvoraussetzungen: „Wir als Grüne wollten den mittleren Bildungsabschluss.“ Auch beim Thema Überwachung unterstützt Hermann die Forderung des Verbandes, eine effiziente und kostengünstige Form zu finden und zu etablieren. Er sicherte auch zu, dass bis zur nächsten Reform nicht weitere Jahrzehnte vergehen. „Wenn wir merken, dass etwas novelliert werden muss, dann sollte das schnell möglich sein“, versprach der Grünen-Politiker.
Schwerpunkt seines Vortrags war das Thema Elektromobilität. Der Landesverkehrsminister rief die Fahrlehrer auf, sich diesem Thema offen und offensiv zu widmen. Für ihn steht die E-Mobilität noch in den Startlöchern. „Elektroautos werden in naher Zukunft von Fahrschülern erwartet. Sie werden als Fahrlehrer gefragt werden: Haben Sie ein E-Auto?“ Sein Land unterstütze Fahrschulen beim Erwerb von Elektroautos mit bis zu 10.000 Euro – bisher hätten rund 20 Fahrschulen das Angebot angenommen.
Nicht neu, aber akuter denn je: Der Knackpunkt für den Einsatz von E-Fahrzeugen in der Fahrschulausbildung ist der Automatikeintrag. Darauf machte Verbandschef Jochen Klima den Minister aufmerksam. Auch Kurt Bartels, zweiter Vorsitzender des Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, rief die Politik in Sachen Automatikregelung zum Handeln auf: „Wir brauchen eine Neuregelung!“ Winfried Hermann widersprach nicht, im Gegenteil: „Ich hätte die Regeln zur Handschaltung gerne modernisiert, aber das ist uns leider nicht gelungen.“
Für den Landesverkehrsminister steht allerdings auch fest: „Das Stau- und Klimaproblem kann auch die Elektromobilität nicht lösen.“ Menschen würden immer mehr in Mobilitätsoptionen denken – und das müsse auch Thema in der Fahrschule sein. „Sie werden in Zukunft mehr über Apps und Technologien sprechen, Fahrschulen werden sich zu Mobilitäts-Ermöglichern entwickeln“, glaubt Hermann. Fest steht für ihn: „Die Fixierung auf das Auto ist Geschichte.“
Der Minister blieb den ganzen Vormittag in Pforzheim und nahm sich im Anschluss an sein Referat auch die Zeit, um Fragen der Fahrlehrer zu beantworten.
Wahlen zum 1. und 3. Vorsitzenden
Die Teilnehmer in Pforzheim konnten sich jedoch nicht nur nach der Rede des Ministers aktiv einbringen, sie hatten auch wichtige Personalentscheidungen zu treffen. So stellten sich Jochen Klima (1. Vorsitzender) und Wolfgang Rieker (3. Vorsitzender) zur Wahl. Beide wurden ohne Gegenkandidat und ohne Gegenstimmen wiedergewählt. Zum neuen Angestelltenvertreter bestimmten die Stimmberechtigten Michael Herok; Rechnungsprüfer ist und bleibt Kerstin Schmid. Zudem beschloss die Versammlung, dass in Zukunft auch (die bis dato beitragsfreien) Ehrenmitglieder einen kleinen Beitrag zur Deckung der Verbandskosten leisten sollen.
Ein wichtiges Thema auf der Versammlung war die Zusammenarbeit mit dem TÜV. So gab es 2016 in den Niederlassungen Freiburg, Singen und Tübingen laut Jochen Klima „erneut eine mangelhafte Versorgung mit Prüfungsplätzen“. Mittlerweile seien die Probleme im Großen und Ganzen behoben, doch dürfe sich eine solche Situation nicht wiederholen. „Wer junge Menschen irgendwann als HU-Kunden begrüßen möchte, täte gut daran, dass deren erster Eindruck vom TÜV nicht durch schlechten Service bei der Führerscheinprüfung getrübt wird“, monierte Klima. Jürgen Wolz, Mitglied der Geschäftsleitung des TÜV SÜD, entschuldigte sich für die Engpässe und begründete diese mit dem „unerwarteten Gegentrend bei der Zahl der Bewerber und Prüfungen“ im vergangenen Jahr.
Spannend in Sachen TÜV wird in den kommenden Monaten auch die geplante Einführung der Online-Buchung für theoretische und praktische Prüfungsplätze sowie die Implementierung eines neuen Inkassoprozesses. In Zukunft will sich der TÜV um das Inkasso der Gebühren kümmern, die Fahrschulen sollen nur noch beteiligt sein, wenn sie es wünschen. Bei der Buchung von Prüfterminen soll es zwei unterschiedliche Möglichkeiten für Fahrschulen geben. Die Fahrlehrer wiesen den TÜV auf zwei Punkte hin: für sie ist eine möglichst hohe Flexibilität bis zum Schluss wichtig – und es besteht bei diesem System eine große Gefahr, dass Fahrschulen Termine „bunkern“ und damit den Prozess konterkarieren.
Online-Buchungsportal: Einführung verschoben
Die Einführung dieses Systems ist erneut verschoben worden. Es wird in Baden-Württemberg wohl nicht vor dem Jahreswechsel starten – vorher sind Hamburg und Bayern an der Reihe. „Über das Verfahren wollen wir die Standardfälle abdecken“, sagte Wolz in Pforzheim. Es werde weiterhin möglich sein, Sonderfälle persönlich, wie bisher auch, am Telefon zu behandeln. „Wenn das System irgendwann doch einmal kommen sollte, erwarten wir Modalitäten, die nicht nur dem TÜV nutzen, sondern vor allem den Fahrschulen die Arbeit erleichtern“, machte Jochen Klima den Fahrlehrerstandpunkt klar.
Kurt Bartels, zweiter stellvertretender Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, zeigte dem Auditorium in seinem Vortrag die wichtigsten Trends und Herausforderungen durch den Trend zum Autonomen Fahren auf. Zu Beginn stellte er klar: „Wir Fahrlehrer stehen neuen Technologien offen gegenüber“. Das Bild des Fahrlehrerberufes werde und müsse sich verändern. Die Arbeit von Fahrlehrern sei dabei noch viele Jahre gefragt, gerade im Hinblick auf die teilautomatisierten Schritte hin zur Vollautomatisierung.
Ein vollautonomes Fahren sei erst dann denkbar, wenn es keine gemischten Verkehre mehr gebe – für Bartels auf mittlere Sicht nicht denkbar. „Viele wollen ihre individuelle Mobilität nicht komplett durch die Technik einschränken lassen.“ Zudem laufe der Weg zu dieser vernetzten Welt über den verstärkten Einsatz von Fahrassistenzsystemen. „Hier sind wir als Fahrlehrer prädestiniert, diese Systeme jungen und alten Fahrern zu erläutern“, sagte Bartels. Es gehe nun ganz konkret darum, die Frage zu klären, wie man Fahrerassistenzsysteme rasch in Fahrausbildung und Fahrprüfung integrieren könne.
Bernd Nentwig, Fahrschulansprechpartner von Audi, präsentierte den Fahrlehrern in Pforzheim die neusten Produkte aus seinem Hause. Er berichtete, dass für den Q5 die Fahrschulausstattung an der KW 22 verfügbar sei. Ein für Fahrschulen ebenfalls interessantes Fahrzeug ist der Audi A5 Sportback g-tron. Das bivalente Auto verfügt über 170 PS und einen Gastank, der 19 Kilogramm Gas fasst. In Verbindung mit dem Benzinmotor kommt der Sportback auf rund 1000 Kilometer Reichweite.
Die aktuellen Zahlen der Fahrlehrerversicherung hatte Stefan Kottwitz im Gepäck. Der Vorstand konnte den Teilnehmern der Mitgliederversammlung einen moderaten Jahresüberschuss verkünden. Damit bleibt Eigenkapital und Solvenz des berufsständischen Versicherers weiterhin solide. Erfolgreich ist laut Kottwitz das Digitalisierungs-Projekt „Kundenportal“ angelaufen. Schon über 4400 registrierte User seien dabei. Sie können dort unter anderem gespeicherte Angebote aufrufen, alle Ansprechpartner sehen oder Verträge und Schadenfälle genauer unter die Lupe nehmen. „Melden Sie sich an und schauen Sie sich die Vorteile, die das Portal bietet, mal genauer an!“, warb er für das Internetportal.
(tr)