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Das E-Auto ist alternativlos - Interview mit Professor Stein von der TUM

16.10.2024 14:32 Uhr | Lesezeit: 7 min
Prof. Stein
Prof. Stein im Interview in der FahrSchulPraxis, dem Magazin des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg.
© Foto: FahrSchulPraxis

Prof. Dr. Helge Stein von der Technischen Universität München spricht über eine unausweichliche elektrische Zukunft der Mobilität und warum auch Fahrschulen auf den Zug aufspringen sollten.

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"Das E-Auto ist alternativlos für eine nachhaltige Zukunft"

Interview mit Prof. Dr. Helge Stein, erschienen im Magazin FahrSchulPraxis (FPX), Ausgabe 09/2024, 

Ein klares Plädoyer für die E-Mobilität hält der Wissenschaftler und Professor des Lehrstuhls für Digitale Katalyse der Technischen Universität München, Prof. Dr. Helge Stein. Er ist überzeugt, dass Batterien in puncto Nachhaltigkeit und Umweltbilanz unübertroffen für Pkw sind. Fahrschulen sollten E-Autos in das Angebot aufnehmen. Mit Prof. Stein sprach FPX-Redakteurin Isabella Finsterwalder.


Der Umstieg auf E-Autos verläuft sehr holprig. Wie beurteilen Sie als Wissenschaftler die Situation? Ist die E-Technologie die Zukunftstechnologie der Mobilität?

Prof. Helge Stein: Meiner Überzeugung nach ist der Absatzrückgang eher eine Folge verschiedener wirtschaftlicher Faktoren sowie der gestrichenen Förderung von E-Autos, wodurch zahlreiche Kaufentscheidungen vorgezogen wurden. Außerdem wurden infolge des Förder-Aus viele potenzielle E-Auto-Käufer zu Unrecht verunsichert. Ich bin mir sicher, dass kein Weg an der kompletten Elektrifizierung des Individualverkehrs vorbeigeht. Zudem werden Elektroautos immer günstiger, während Verbrennerfahrzeuge zwangsweise tendenziell teurer werden. Im Übrigen sind die Gesamthaltungskosten für ein Elektroauto schon heute in vielen Fällen niedriger als für einen Verbrenner. Für Menschen in Mietwohnungen muss tatsächlich noch einiges getan werden, für Eigenheimbesitzer – vor allem solche mit Solaranlagen – rechnet sich das Elektroauto jedoch bereits heute besonders.

Lohnt es sich für Fahrschulen, ihre Fuhrparks jetzt auf E-Autos umzustellen, oder sollten sie noch warten?

Persönlich würde ich Fahrschülern raten, auf dem Auto zu lernen, welches mir später die maximale Freiheit in der Fahrzeugwahl bietet. So gibt es immer noch einen großen Bestand an Fahrzeugen mit Schaltgetriebe – das wird auch die kommenden 10 bis 20 Jahre so sein.
Ich habe damals auch auf einem „Schalter“ gelernt und möchte das nicht missen. Allerdings habe ich diesen nur zwei Mal gebraucht. In den USA wie auch in Asien bin ich ausschließlich Automatik gefahren. Meines Erachtens ergibt es Sinn, Fahrschüler nicht nur auf schaltgetriebenen Fahrzeugen, sondern zunehmend auch auf energieeffizienten E-Autos zu schulen und entsprechend ihren Fuhrpark dahingehend anzupassen. Fahrschulen sollten mit E-Autos vorangehen. Es lohnt sich absolut für die Gesellschaft, auf Elektroautos zu setzen.

Würden Sie es als Nachteil und Imageschaden für Fahrschulen sehen, wenn diese jetzt nicht auf E-Mobilität umsteigen?

Meines Erachtens wäre der Einstieg in bzw. der Umstieg auf die E-Mobilität ein Plus, jedoch kein Malus, wenn sie es nicht täten. Ich wurde erst vor kurzem gefragt, was denn dieses Fahren im E-Modus ist – es war schon witzig meinem Vater eine Art Fahrstunde zu geben.

Wie zuverlässig sind heute gängige E-Autos wie der VW ID.3 in Bezug auf Batteriequalität, Reichweite, Verbrauch und Wartungskosten?

Die Batteriequalität ist heute bei nahezu allen gängigen Elektroautos extrem gut. Jede Zellchemie, ob Lithium-Eisenphosphat (LFP) oder Nickel-Mangan-Cobalt (NMC), sollte locker 1.000 Vollzyklen durchhalten – Teilzyklen sogar noch mehr. Das bedeutet, die Batterie wird erst nach 400.000 bis 500.000 km ihr Lebensende erreicht haben – die wenigsten Chassis halten so lange.
Der Verbrauch hängt freilich stark von Modell und Fahrweise ab. Die Wartungskosten bei Elektroautos sind gering und im Vergleich zum Verbrenner in den ersten 5 bis 10 Jahren, zumindest meiner Erfahrung nach, zu vernachlässigen. Wer ein E-Auto verkaufen möchte, kann sich ein Gutachten, beispielsweise vom TÜV, über den „Gesundheitszustand“ der Batterie ausstellen lassen. Meines Erachtens müssten wir viel stärker für die Allgemeinheit einfach verständliche „Batterietechnik-Vorlesungen“ anbieten – damit hier alle zu Profis werden können.

Wie beurteilen Sie die Ladeinfrastruktur für einen E-Autofahrer in Deutschland?

Was die Ladeinfrastruktur betrifft, so ist sie in den meisten Ballungsgebieten in Ordnung und auch auf den Autobahnen recht gut. Ich bin bereits zu allen Jahreszeiten in diverse Nachbarländer gefahren. Es macht Spaß, wenngleich es gilt, sich ein bisschen von der Reichweitenangst zu lösen. Meine Eltern beispielsweise sind vor kurzem umgestiegen und hellauf begeistert. Ich kann daher nur allen raten, E-Autos auszuprobieren. Fahren im E-Modus macht richtig Spaß und ein bisserl „schwäbisch“ unterwegs zu sein, kann das Fahren auch ein wenig „gamifizieren“. So war ich irgendwann einmal so gut, dass ich bei meinem Tesla Model 3 und dem Opel Ampera unseres Instituts den WLTP auf der Landstraße und Autobahn (ohne zu schleichen!) geknackt habe. (WLTP: Messwert Verbrauch und Emissionen, Red.)

Wie schätzen Sie den Mobilitätsnachwuchs ein: Wollen die die E-Mobilität und daher das Fahren auf E-Fahrzeugen erlernen?

Ich selbst bin Millennial und nicht GenZ. Dennoch denke ich, dass die Jungen Lust auf E-Autos haben, da ihnen das Thema Nachhaltigkeit durchaus wichtig ist.

Was muss aus Ihrer Sicht getan werden, um der E-Technologie auch in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen?

Auf den Punkt gebracht: Wichtig wäre weniger Schlechtschreiberei als vielmehr einfach einmal Elektromobilität erleben. Wer E ausprobiert hat, möchte in der Regel nie wieder zurück zum Verbrenner.

Es wird immer davon gesprochen, Lithium-Ionen-Batterien und ihre Rohstoffe machen uns noch abhängiger und fördern Kinderarbeit. Gefragt sind also neue Batterietypen. Als Materialforscher arbeiten Sie mit Hochdruck an neuen, günstigeren und nachhaltigen Batteriechemien – und das mit Hilfe der KI. Wie ist hier der Stand der Dinge?

Durch „neue alte“ Batterietechnologien und -chemien, wie LFP, ist mittlerweile kein Kobalt mehr in den Batterien. Außerdem: Neue Batteriechemien, wie LFP, sind sicher und günstig. Die neuesten Entwicklungen, die noch mehr Reichweite und Beschleunigung bieten, bedürfen neuer Rezepturen – auch um die Zellen besser zu recyceln. Daran forschen wir und reduzieren die Zeit zur Marktreife. Besonders in der Produktion ist noch viel Potenzial. Mithilfe unserer KI-Methoden konnten wir beispielsweise den Formierungsprozess um den Faktor 3x beschleunigen. Dieser Produktionsprozess braucht derzeit noch 25 Prozent der Fabrikfläche. Solche Rezepte zu optimieren, funktioniert grundsätzlich nur mit KI, da wir Dutzende Parameter gleichzeitig optimieren müssen, jedoch aus Gründen der Kosteneinsparung möglichst wenige Experimente machen wollen.

Was sind zusammengefasst die Pluspunkte der E-Technologie bei Autos, Lkw, Fahrrädern in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz? Umgekehrt: Wo liegen in der E-Antriebstechnologie derzeit die größten Schwächen?

Die Pluspunkte sind ganz klar: lokale Emissionsfreiheit und eine Amortisierung des CO2-Rucksacks binnen zwei Jahren Fahrzeit. Bei Fahrrädern ist es zudem auch einfach der Fahr-
spaß und das Ausprobieren neuer Technologie. Überhaupt: Batterien und damit der E-Antrieb sind so ziemlich das Nachhaltigste, was es gibt, und in jeder Hinsicht besser als Verbrenner, wenn man sich die Umweltbilanz anschaut. Beispielsweise der Wasserverbrauch bei der Produktion einer Batterie entspricht der Produktion einer Jeans. Außerdem: Potenziell ist jeder Starkstromanschluss eine „Tankstelle“ – wie cool ist das denn bitte? Die größten Schwächen dieses Antriebs sind vor allem die fehlende Akzeptanz und dass wir in Deutschland ein wenig zu spät auf den Dampfer aufgestiegen sind und einfach zu zögerlich agieren. Ich würde mir mehr Pragmatismus und Technologiefreude wünschen.

(Das Interview wurde uns freundlicherweise vom Fahrlehrerverband Baden-Württemberg zur Verfügung gestellt, vielen Dank an dieser Stelle.)


Zur Person

Prof. Dr. Helge Stein

Der 1988 geborene Prof. Dr. Helge Stein entwickelt experimentelle und computergestützte Methoden zur beschleunigten Entdeckung, Charakterisierung und Hochskalierung neuer verbesserter Materialien in der Katalyse und für Sekundärbatterien. Experimentelle Daten werden mittels selbstentwickelter Roboter gesammelt, mit Algorithmen und maschinellem Lernen geplant sowie ausgewertet und über Datenmanagement semantisch durchsuchbar abgelegt. Ziel ist es, eine globale dezentrale Materialbeschleunigungsplattform (MAP) aufzubauen.

Prof. Stein studierte von 2008 bis 2013 an der Georg-August-Universität Göttingen Physik und promovierte 2017 zu Hochdurchsatzmethoden an der Ruhr-Universität Bochum in Maschinenbau mit summa cum laude. Von 2017 bis zum Antritt seiner Tenure-Track-Professur für Angewandte Elektrochemie am Karlsruher Institut für Technologie 2020 forschte er am California Institute of Technology (Caltech). 2023 wurde Prof. Stein auf die Professur für Digitale Katalyse an die TUM berufen.



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#E-Mobilität

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KOMMENTARE


Dirk Hartz

28.10.2024 - 12:27 Uhr

Wichtig: Diese Aussage kommt nicht von mir! (Facebook Fund) Aber vielleicht kann sie ja hier kompetent beurteilt und entkräftet werden. Die Batterie von E-Autos wiegt ca 500 kg. Für die Herstellung einer Autobatterie müssen 10 Tonnen Salz für Lithium, 15 Tonnen Erz für Kobalt, 2 Tonnen Erz für Nickel und 12 Tonnen Erz für Kupfer verarbeitet werden. Insgesamt 200 Tonnen Erde werden für eine einzelne Batterie ausgegraben. Denk nach, bevor du kaufst.


Helge Stein

31.10.2024 - 10:01 Uhr

Freilich wiegen die Traktionsbatterien in einem Elektroauto relativ viel, insbesondere wenn man den Vergleich mit einem Benzin/Dieseltank vergleicht (Wobei fairerweise auch die Motoren einbezogen werden müssen). Tatsächlich werden für die Herstellung von Rohmaterialien recht große Mengen an Material umgesetzt wobei hier Zahlen ins Verhältnis gesetzt werden müssen. Mein Kollege Prof. Fichtner (von Ihm gibts mehrere youtube Videos) vom HIU hat mal den schönen vergleich gemacht, dass bei der Herstellung einer Traktionsbatterie im Auto in etwa so viel Wasser Verbraucht wird wie bei der Herstellung von 1-2 Jeans. Ich kann hier auch sehr den Podcast "Geladen" empfehlen wo recht viel zum Thema Batterien, Elektromobilität und Nachhaltigkeit erklärt wird. Das Problem ist das solche erklärungen und was wie und warum gemacht wird recht "trocken" seien können und Schlagzeilen a la "10 Tonnen Salz für eine Batterie?!" schneller die Runde machen als ein zwei Stunden Video zur Lebenszyklusanalyse eines Rohstoffgewinnungsprozesses. Etwas kürzer hat Herr Dr. Weil vom KIT-ITAS mal hier zusammengefasst: https://www.youtube.com/watch?v=iCdGw_VFwes


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