Sommerzeit ist laut Statistik Unfallzeit: Jetzt geschehen auf deutschen Straßen im Schnitt die meisten Verkehrsunfälle. Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) sind dabei rund 90 Prozent aller Unfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen. Die Ergebnisse der aktuellen Umfrage zeigen, dass die Straßenverkehrsordnung oft nicht so penibel befolgt wird, wie es wünschenswert wäre.
Beim Abbiegen: Jeder zweite blinkt nicht
Besonders häufig missachten Autofahrer Geschwindigkeitsbegrenzungen und blinken nicht korrekt. Knapp 63 Prozent der Befragten geben an, schneller als erlaubt zu fahren, wenn keine Blitzer in Sicht sind. Beinahe jeder Zweite (46 Prozent) spart sich mindestens hin und wieder das Blinken beim Abbiegen. Neben dem Weglassen des Schulterblicks und dem Verzicht auf korrektes Blinken nennen viele hier das fehlende Einhalten des Mindestabstands. Mehr als jeder dritte Autofahrer (37 Prozent) hält es für wahrscheinlich, selber regelmäßig zu drängeln oder zu dicht aufzufahren. Dieses Verhalten erhöht das Unfallrisiko erheblich: Ein zu geringer Abstand zwischen Verkehrsteilnehmern gehört laut Destatis ebenfalls zu den Hauptursachen für Unfälle mit Personenschaden Der tägliche Stau, der Stress des Alltags und die scheinbare Harmlosigkeit kleiner Vergehen – all das führt dazu, dass 63 Prozent der deutschen Autofahrer mindestens gelegentlich Verkehrsregeln missachten. Männer (8 Prozent) geben doppelt so häufig wie Frauen (4 Prozent) an, bei jeder Fahrt gegen die Verkehrsordnung zu verstoßen.
Verkehrsvorschriften: Sinnlos empfundene werden häufiger missachtet
Für viele Autobesitzer hängt ihr Verhalten am Steuer offenbar entscheidend davon ab, ob sie die vorgeschriebenen Regeln als sinnvoll erachten. So geben 43 Prozent der Befragten an, dass sie Vorschriften missachten, wenn sie keinen schlüssigen Sinn darin sehen. Weitere 39 Prozent lassen sich vom Fehlverhalten anderer Fahrer beeinflussen. Mehr als jeder dritte Autofahrer (37 Prozent) ist sich laut eigenen Angaben wohlmöglich nicht immer vollständig der Verkehrsregeln bewusst und nennt dies als Grund, wieso er oder sie Verkehrsregeln nicht einhält.
Katalysatoren Stress und Zeitdruck
Die Befragten wurden auch gebeten, einzuschätzen, in welchen Situationen oder unter welchen Begleitumständen sie besonders häufig Verkehrsverstöße begehen. So missachtet mehr als die Hälfte der Befragten die Straßenverkehrsordnung, wenn sie es eilig hat, und 42 Prozent ignorieren Verkehrsvorschriften, wenn sie gestresst sind. Immerhin ein Drittel (36 Prozent) der deutschen Autofahrer fühlt sich zudem in (vermeintlich) unbeobachteten Momenten zu Verkehrsverstößen verleitet.
Unfallforschungsergebnis zu Ursachen: Keine Absicht, aber persönliche Vorteile
Siegfried Brockmann, Geschäftsführer Verkehrssicherheit und Unfallforschung bei der Björn Steiger Stiftung, befasst sich seit über zwanzig Jahren mit dem Fahrverhalten auf deutschen Straßen. Er erklärt den Umgang miteinander im Straßenverkehr folgendermaßen: „Eine Umfrage der Unfallforschung der Versicherer aus dem Jahr 2023 hat bereits einen Trend aufgezeigt, der auf eine Zunahme von aggressivem Verhalten im Straßenverkehr hinweist. Unser Verkehrssystem ist von einem Ellenbogen-Prinzip geprägt, das sich aus der Individualisierung unserer Gesellschaft ergibt. Es geht weniger darum, anderen absichtlich zu schaden, sondern mehr darum, sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Diese Mentalität nimmt in allen Bereichen unseres Lebens zu. Der Straßenverkehr ist ein Spiegelbild dieser gesellschaftlichen Dynamik. Hier gibt es aber eine entscheidende Besonderheit: Fehlverhalten im Verkehr kann schwerwiegende Folgen haben. Ein Auto stellt eine potenziell gefährliche Waffe dar. Deswegen fallen im Straßenverkehr solche gesellschaftlichen Dynamiken eindeutiger auf als in anderen Bereichen.”
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