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Volle Kraft für den Berufsstand

03.11.2022 10:19 Uhr | Lesezeit: 5 min
Vorstand
Der wiedergewählte Vorstand (v. l.): Harry Bittner, Roberto Storch und André Schmidt
© Foto: Ulrich Lieber

Harry Bittner wird auch die nächsten vier Jahre die Geschicke des Fahrlehrerverbandes Thüringen leiten. Im Rahmen der Jahreshauptversammlung in Weimar wurde er einstimmig von den anwesenden Mitgliedern erneut zum Vorsitzenden gewählt.

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Das gleiche Ergebnis wie Bittner erzielte auch sein zweiter Stellvertreter André Schmidt, der damit ebenfalls vier weitere Jahre im Amt bleibt. Beide bedankten sich für das große Vertrauen und versprachen, sich weiterhin mit vollem Engagement für die Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer einzusetzen. „Da ist noch Luft nach oben“, zeigte sich Bittner auch selbstkritisch. „Gerade im Hinblick auf die elektronischen Medien geht noch eine ganze Menge.“

Bittner berichtete über die Arbeit des Vorstands und freute sich darüber, dass die Versammlung so gut besucht war. Der Vorsitzende zeigte auf, an welchen Sitzungen, Besprechungen und Arbeitskreisen der Vorstand teilnimmt, um die Interessen der Mitglieder zu vertreten und um Informationen zu erhalten, die wiederum an die Mitglieder weitergegeben werden. Weiterhin gab der Vorsitzende einen Überblick über den Thüringer Fahrlehrerverband, der im Jahr 2021 einen starken Mitgliederanstieg von 180 auf 211 verzeichnen konnte. „Das ist nicht schlecht, aber es könnte noch besser sein. Ich kann nur sagen, geht raus und macht Werbung für den Verband. Niemand macht was Schlechtes, wenn er Mitglied im Thüringer Fahrlehrerverband ist. Wir arbeiten wirklich daran, dass wir für den Berufsstand, für Euch etwas tun“, versicherte Bittner.  

Virtuelle Alternativen

„Wir mussten alle lernen, dass man in bestimmten Notlagen nicht mehr in Präsenz tagen kann. Da zu befürchten ist, dass es ja nicht die letzten Notlagen sind, macht das Satzungsänderungen notwendig“, erklärte Bittner. Er schlug vor, dass nach dem Paragraphen 8 ein Paragraph 8a eingezogen wird, der die virtuelle Mitgliederversammlung beschreibt. Hier wird genau geregelt, wann und wie sie stattfindet, wie abgestimmt werden kann und wie eine gegenseitige Kommunikation möglich ist. Diese Regelung gilt entsprechend auch für Online-Versammlungen, Sitzungen und Beschlüsse des Vorstands, des Beirats und seiner Ausschüsse sowie der Kreisvereine. Der neue Paragraph wurde einstimmig aufgenommen.

Am Ende des internen Teils äußerte Bittner drei Wünsche. „Unterstützt den Fahrlehrerverband, denn damit stärken wir die Bundesvereinigung und die Deutsche Fahrlehrerakademie“, war sein erster Wunsch. „Seid kritisch gegenüber Versprechungen von neuen Vereinigungen, Prüforganisationen, Verwaltungen und Politik.“ Und schließlich wünschte er sich: „Denkt, handelt und arbeitet professionell.“

Präsenz oder online?

Die Fahrlehrerversammlung war ein sehr gutes Beispiel für „Blended Learning“, denn es war eine gelungene Kombination aus Präsenz- und Online-Referaten. Bittner freute sich, dass die Veranstaltung in Präsenz in den Räumlichkeiten des ADAC Fahrsicherheitszentrums Thüringen und vor allem mit vielen Ausstellern stattfinden konnte. Sein besonderer Dank galt dabei dem Autohaus Gotha, das als Hauptsponsor auch zwei Fahrzeuge mitgebracht hatte.

Das alles beherrschende Thema sei derzeit die Frage „Präsenz- oder Online-Unterricht“ – oder vielleicht auch etwas dazwischen. Ein Arbeitskreis der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände habe sich ebenfalls damit beschäftigt, genau wie die Wissenschaft unter Leitung von Professor Dr. Dietmar Sturzbecher. Bittner erklärte, worum es bei der wissenschaftlichen Untersuchung – bekannt als OFSA II – geht. „In OFSA II ist ein Ausbildungskonzept erarbeitet worden, ein Kompetenzrahmen für die Fahrschülerausbildung und ein Ausbildungsplan. Zudem gibt es Umsetzungsempfehlungen“, so Bittner.

Eine Erkenntnis der Untersuchung war, dass auch eine Lern-App Wissen vermitteln und gemeinsam mit Präsenzunterricht zu Erfolgen führen kann. „Vor der Theorieprüfung haben nur 34 Prozent den Lernstand grün erreicht, 57 Prozent hatten nur den Lernstand gelb und gar acht Prozent den Lernstand rot und sind trotzdem zur Theorieprüfung gegangen.“ Das wirke sich auf die Prüfergebnisse aus, und darum sei es sinnvoll, die Fahrschüler auch beim selbstständigen Lernen pädagogisch zu begleiten. „Das muss der Berufstand annehmen und umsetzen“, forderte Bittner.

Elektronisches Lernen

 „OFSA II hat festgestellt, dass sich ein synchrones elektronisches Lernen negativ auf die Schülerleistungen auswirkt. Das ist also nicht das Nonplusultra“, erklärte Bittner. „Der Präsenzunterricht verknüpft mit asynchronem elektronischem Lernen ist laut OFSA II die beste Möglichkeit, die Schülerleistungen zu fördern und Lehr- und Lerninhalte zu vermitteln. Daran hat sich auch die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände letztendlich orientiert.“ OFSA II macht dazu einen Vorschlag: Ein selbstständiges Lernen vor dem Theorieunterricht, einen Präsenzunterricht und danach ein selbstständiges Lernen nach dem Theorieunterricht. „Das muss natürlich pädagogisch von Fahrlehrern begleitet werden. Diesem Vorschlag können wir uns grundsätzlich anschließen“, sagte Bittner und das gelte auch für den Thüringer Fahrlehrerverband. „Wir sind zwar nicht die Wissenschaft, aber wir sind die Praktiker und wissen alle, was funktioniert und was nicht funktioniert.“

OFSA II setzte auf eine zeitliche Verzahnung zwischen theoretischem und praktischem Unterricht, so dass beides zum Teil parallel nebeneinander stattfindet. „Das ist natürlich der Königsweg der Fahrausbildung“, sagte der Vorsitzende, aber er wies auf die Kundenwünsche hin, denn viele Eltern verlangen, dass ihr Kind erstmal die Theorie absolviert, bevor es mit dem Fahren beginnt. „Auf die Marktsituation einzugehen, ist an dieser Stelle schwierig“, meinte Bittner. „OFSA II legt Kompetenzstandards fest und das ist gut für unsere Branche.“

Der Arbeitskreis der Bundesvereinigung habe sich einige Grundsatzfragen gestellt. Man sei für das selbstständige Lernen vor dem Theorieunterricht, damit der Fahrschüler ein Basiswissen habe. „Wir alle leiden ja darunter, wenn ein Fahrschüler kommt, der null Ahnung hat.“ Genauso sei der Arbeitskreis für das selbstständige Lernen nach dem Theorieunterricht sowie für Lernkontrollen. „Was wir uns vorgestellt haben, sind vier Themenblöcke, die der veränderten Fahrlehrerausbildung angepasst sind“, so Bittner. Ein Thema im vierten Themenblock ließe sich komplett digital darstellen, die anderen Unterrichte sollten in Präsenzform stattfinden. „Im Theorieunterricht stellen wir uns vier vertiefende Arbeitsstufen vor.“ Die Fahrschüler sollen natürlich auch selbstständig nachlernen, dabei sei die Kontrolle durch den Fahrlehrer wichtig. „Vorzüge unseres Vorschlags sind, ein verständlicher und alltagstauglicher Aufbau, Kundenwünsche können erfüllt und auf die sich schnell verändernde Marktsituation kann reagiert werden. Wir haben einen überschaubaren Schulungsbedarf für den Berufsstand und damit einen reduzierten Kostenaufwand. Wir haben einen einfachen Kontrollaufwand für die Erlaubnisbehörden und damit wiederum reduzierte Kosten. Wir haben die zeitliche Verzahnung von theoretischer und praktischer Ausbildung, und wir können auch zeitlich verzahnen mit modernen, technischen Möglichkeiten“, fasste Bittner zusammen.

Grußworte aus dem Ministerium

Nach seinem Referat startete Bittner ein Video mit einer Grußbotschaft von Susanna Karawanskij, Thüringer Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft. Sie lobte die Arbeit der Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer, die für die Verkehrssicherheit in Thüringen essentiell sei. Sie erinnerte an die Vision Zero der Bundesregierung und wünschte sich, dass die Unfallzahlen weiter sinken. „Dazu ist eine gute Fahrschulausbildung unerlässlich.“ Diese Ausbildung sei eine der wichtigsten Säulen der Verkehrssicherheit. Der digitale Unterricht sei in Ausnahmesituationen richtig, aber nicht als generelle Unterrichtsform. „Da bin ich ganz auf Ihrer Seite“, versicherte Susanna Karawanskij. „Aus Gründen der Verkehrssicherheit wünsche ich mir, dass an der Rolle des Fahrlehrers grundsätzlich nicht gerüttelt wird.“ Der Fahrschulbereich sei sehr sensibel, und darum müssten die Schritte der Novellierung sehr sorgsam gegangen werden. „Einen rein virtuellen Fahrlehrer halte ich nicht für wünschenswert.“ Das begleitete Fahren müsse weiter optimiert und das Fahranfängersystem novelliert werden. Schließlich ging sie noch auf die steigenden Energiekosten ein, denn auch hier könnten die Fahrlehrer einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie den Fahrschülern das ökonomische Fahren lehren.

BVF: Praxisgerechte Lösungen

Jürgen Kopp, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, griff noch einmal das Thema OFSA II auf. „Die Länder sind momentan geteilter Meinung. Wir stehen zu OFSA II, das ist ein guter und ein wichtiger Schritt, aber wir wollen eine praxisgerechte Lösung haben“, sagte Kopp. Er hatte zudem aktuelle Umfrageergebnisse von Moving speziell zum Onlineunterricht mitgebracht, für die bundesweit 400 Fahrschulen und 400 Fahrschüler befragt worden waren. „95 Prozent der Befragten möchten nach der Pandemie die Theorieausbildung in Präsenz durchführen, nur fünf Prozent möchten einen reinen Distanzunterricht haben“, berichtete Kopp. 78 Prozent der Fahrschulen bestätigen, dass das Gelernte im Präsenzunterricht nachhaltiger ist, das sehen sogar 59 Prozent der Distanzfahrschulen so. „Durch den Distanzunterricht müssen die Fahrschüler mit mehr Fahrstunden und mehr Gesamtkosten rechnen.“ Das liege daran, dass einiges aus der Theorie im praktischen Unterricht nachgearbeitet werden müsse und dazu seien rund acht bis zehn Fahrstunden notwendig.

Im Anschluss präsentierte der Bundesvorsitzende einige aktuelle Zahlen. In Thüringen seien seit dem Jahr 2012 die Fahrlehr-Erlaubnisse um fast 400 auf 1.274 zurückgegangen. „Die Fahrschulen sind wirtschaftlich ganz gut durch die Corona-Situation durchgekommen. Wir haben einfach Glück gehabt“, sagte Kopp. Aktuell haben die Fahrschulen mit einer extremen Mehrbelastung durch steigende Kraftstoffpreise zu kämpfen und auch die Umstellung auf E-Fahrzeuge sei nicht so einfach, denn man könne zwar bestellen, aber wann geliefert werde, das sei noch offen.

Der Bundesvorsitzende sprach sich außerdem gegen eine weitere Prüfungsorganisation aus, denn „die Bedienpflicht muss bleiben“. Sonst könnte es passieren, dass in ländlichen Regionen keine Prüfungen mehr stattfinden. Erfreulich sei die wirtschaftliche Entwicklung, die dafür sorge, dass die Fahrlehrer endlich wieder von ihrem Beruf leben könnten. Die Ausbildung habe sich gut entwickelt, und Europa schaue mit großem Neid auf die deutsche Ausbildung. „Die nächsten Jahre werden schwierig werden, aber wer geglaubt hat, dass die Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer überflüssig werden, der irrt sich.“ Die Anforderungen an die Fahrlehrer werden höher, das liege auch an der Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten und der digitalen Medien. „Wir waren doch schon immer vorne dabei.“

Gute Zusammenarbeit mit der Prüforganisation

Mario Lindner, Landesstellenleiter der Dekra Thüringen, wurde anschließend online zugeschaltet. Er stellte die aktuellen Zahlen vor und wies darauf hin, dass das Personal aufgestockt worden sei und dadurch auch mehr Prüfungen durchgeführt werden konnten. Die Erfolgsquote im theoretischen Bereich lag bei 60,3 Prozent, im praktischen Bereich bei 65,1 Prozent. „Das heißt, wir haben noch Potenzial nach oben“, sagte Lindner. Gerade im theoretischen Bereich liege es oft an der Eigenmotivation. Die Zahl der Betrugsversuche sei schwierig zu erfassen, da die Möglichkeiten zur Manipulation immer größer werden. „Wir wollen eine Bewerber-App für die Fahrschüler einführen“, blickte Linder voraus. Bittner lobte die gute Zusammenarbeit mit der Dekra und bemerkte, dass es im Vergleich zu anderen Bundesländern mit den Prüfungsterminen sehr gut laufe.

Fahrlehrerversicherung: Keine Preiserhöhungen

Ebenfalls online zugeschaltet wurde Sylke Bub vom Vorstand der Fahrlehrerversicherung. Sie hatte in Zeiten steigender Preise die gute Nachricht, dass die Fahrlehrerversicherung ihre Beiträge nicht erhöhen wird. Bub regte an, dass jeder Versicherte angesichts der jüngsten Naturkatastrophen seine Police überprüfen solle, denn nicht jeder sei dagegen versichert. Sie stellte den neuen Kfz-Tarif vor, der so gut sei, dass selbst Makler keine günstigere Versicherung finden würden. Besitzer von Ladesäulen sollten diese mitversichern – bei der Fahrlehrerversicherung ist dies ohne Aufpreis möglich.

Bub wies auf die neue Unfallversicherung sowie auf das Assistance-Paket hin. „Wenn es einen schon auf die Nase haut, werden wenigstens die Wohnung geputzt, Schnee geräumt und Essen gebracht.“ Als der Krieg in der Ukraine ausbrach, haben viele Fahrlehrer gehandelt, um zu helfen. Damit diese Fahrten versichert sind, müssen sie vorher angemeldet werden. „Sie sind dann kostenlos versichert“, sagte Bub. Zum Abschluss bekräftigte sie, dass den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fahrlehrerversicherung die Fahrlehrer sehr am Herzen liegen. „Was auch immer Euch bewegt, Ihr könnt uns jederzeit anrufen.“

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