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Von der schwarzen Null zur schwarzen Drei

12.04.2018 13:01 Uhr
Gerhard von Bressensdorf (l.) gratulierte Bernd Arndt zur Wiederwahl zum 2. stellvertretenden Vorsitzenden des Fahrlehrer-Verbands in Schleswig-Holstein
© Foto: Michael Simon

Schleswig-Holstein debattiert heftig über die ins Spiel gebrachte Mitgliederversammlung der Nordverbände. Diese Diskussion und die Mitgliederentwicklung attestieren dem Verband Agilität.

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Verbandsinterne Teile von Mitgliederversammlungen tendieren dazu, abgearbeitet zu werden. Präzise, aber eher unemotional. Nicht so in Schleswig-Holstein, wo der Vorsitzende des Fahrlehrer-Verbands, Frank Walkenhorst, einige Überzeugungskünste aufbieten musste, um den letzten festgelegten Tagesordnungspunkt vor der Mittagspause in seinem Sinne zu gestalten.

TOP 16 sah Zeit für die Abstimmung über Anträge vor, den einzigen hatte der Vorstand eingereicht. „Wir haben uns dreimal mit Vertretern der ‚Nordverbände‘ getroffen, einfach mal um zu schauen, welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit es gibt“, führte Walkenhorst vorsichtig ein. Gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Bremen und Niedersachsen habe man erkannt, dass sich jeder Landesverband oft die gleiche Arbeit mache, zum Beispiel in der Informationspolitik bei der Aufbereitung von Informationen der Bundesvereinigung. Auch mit Agenturen (wie jene der Fahrlehrerversicherung) könnte eine länderübergreifende Zusammenarbeit von Nutzen sein, zum Beispiel bei der Urlaubs- oder Krankheitsvertretung.

Große Lösung für die Nordverbände

Der zentrale Punkt der Sondierungsgespräche – und damit kam Walkenhorst auf den eigentlichen Antragsgrund zu sprechen –, war die Idee einer gemeinsamen Mitgliederversammlung. „Wie lange können wir solche Veranstaltungen auf Länderebene noch wuppen?“, fragte er. Es sei zunehmend schwierig, Aussteller davon zu überzeugen, bei jedem Landesverband mit einem Stand vertreten zu sein. Als strategisch günstigen Anfahrtsort sei Bispingen in Niedersachsen im Gespräch. Dort könnten am Freitagnachmittag ein bis drei Workshops stattfinden, am Samstagvormittag würden sich die Landesverbände zu ihren separaten internen Teilen zurückziehen, ehe am Nachmittag der offizielle Teil für alle Gäste offenstünde. Für einen zunächst einmaligen Probelauf im Jahr 2019 warb Walkenhorst um die Zustimmung der Mitglieder.

Es sollte ihm – dies vorweggenommen – gelingen. Doch zahlreiche Mitglieder meldeten sich zu Wort, um ihre Bedenken kundzutun. Neben einer für viele Mitglieder weiteren Anreise befürchteten sie steigende persönliche Ausgaben, etwa durch Übernachtungskosten, aber auch steigende Kosten für den Verband durch einen teureren Veranstaltungsort. Letztlich votierten 16 Stimmberechtigte gegen den Antrag bei 13 Enthaltungen. „Wir werden versuchen, eure Bedenken noch auszuräumen“, sagte Walkenhorst erleichtert. Stimmt noch Bremen am 14. April 2018 für den Antrag, wird es 2019 voraussichtlich eine gemeinsame Mitgliederversammlung der Nordverbände geben.

Noch ein weiteres Thema hatte Anteil daran, dass die veranschlagten zwei Stunden für den internen Teil nicht ausreichten: Lief die Wiederwahl von Michael Frank als 1. stellvertretenden Landesvorsitzenden noch in Windeseile per Akklamation ab, trat Sven Göttsche, Fahrschulinhaber aus Burg, gegen den bisherigen 2. stellvertretenden Vorsitzenden Bernd Arndt an. Die Verbandssatzung forderte eine geheime Wahl, deren Stimmauszählung ein klares Ergebnis protokollierte: 86 zu 34 Stimmen für Arndt. „Es ist grundsätzlich gut, bei einer Wahl auch eine Wahl zu haben“, bemerkte Walkenhorst und bekräftigte junge Kollegen wie Göttsche darin, sich auch in Zukunft für den Verband zu engagieren.

Positiver Geschäftsbericht des Vorstands

Im Geschäftsbericht des Vorstands wies Walkenhorst auf neue Veranstaltungen hin. Aufgrund der neuen rechtlichen Situation glaubt er, dass nicht mehr so viele Kollegen wie bisher Drei-Tages-Fortbildungen besuchen werden. Deshalb möchte der Verband im Herbst vier eintägige Fortbildungen zu speziellen Themenbereichen anbieten: für Ausbildungsfahrlehrer, zur „neuen“ Überwachung, zur Pädagogik und für BKF-Ausbilder.

Der Vorsitzende ist mit der Entwicklung des Verbands zufrieden: Mit einem Zuwachs von drei Mitgliedern im Jahr 2017 in Saldo und einer schwarzen Null im Jahr 2016 scheint sich das Werben des Verbands in den beiden Fahrlehrer-Ausbildungsstätten in Schleswig-Holstein auszuzahlen. „Es ist wichtig, dass die jungen Leute wissen, wofür unsere Arbeit gut ist“, sagte Walkenhorst, „aber es geht noch mehr.“ Bei den angestellten Fahrlehrern sieht er noch Mitgliederpotenzial. Denn der Verband kämpft wie die gesamte Branche mit der Überalterung: 68 Prozent der 489 Mitglieder sind 50 Jahre oder älter.

Wie in anderen Bundesländern ist der TÜV Nord nicht mehr bereit, den Prüfernamen drei Tage vorher anzugeben. „Ich meine, wir können damit leben, vor allem mit der Begründung der Einheitlichkeit, denn es gibt Bundesländer, die das strikt ablehnen; aber auch vor dem Hintergrund, dass Prüfer in sozialen Netzwerken gezielt bedroht werden“, sagte Walkenhorst. Kein Verständnis habe er aber für die Argumentation, den Prüfernamen nicht mehr zu kommunizieren, weil Prüfer kurzfristig abgelehnt wurden, weil sie nicht genehm waren. „Wenn es tatsächlich bei einigen Prüfern vermehrt spontane Absagen gibt, dann haben nicht wir das Problem, sondern dann hat der TÜV ein Qualitätsproblem.“

TÜV Nord registriert steigende Nichtbestehens-Quoten

Wolfhardt Werner vom TÜV Nord legte die Zahlen aus 2017 zu den Prüfungen vor. Mehr als 61.000 Fahrerlaubnis-Prüfungen hatte die Prüfbehörde in Schleswig-Holstein registriert – so viele wie nie zuvor. Die Nichtbestehensquote lag bei 26,1 Prozent, ein leichter Anstieg gegenüber dem Vorjahr, der maßgeblich durch die Prüfung gemäß §31 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) verschlechtert wurde. Die Nichtbestehensquote bei praktischen Prüfungen, um eine bestehende Fahrerlaubnis umzuschreiben, verschlechterte sich binnen eines Jahres von 42,3 Prozent auf 48,2 Prozent.

Bei den Theorieprüfungen schnitten die Schüler besser ab als in anderen Bundesländern: Nur 32 Prozent der theoretischen Prüfungen fielen negativ aus. Rund 93 Prozent der Prüfungen fanden in deutscher Sprache statt, von den übrigen 7,3 Prozent war Hocharabisch mit zwei Dritteln die meistgewählte Sprache. Nennenswerte Anteile hätten noch Russisch, Türkisch, Englisch und Polnisch, die übrigen sieben Prüfungssprachen würden nicht ins Gewicht fallen. Der TÜV debattiert intern, ob es sinnvoll sei, weiterhin alle zwölf Sprachen anzubieten.

Weiterhin berichtete Werner von Manipulationen bei der praktischen Fahrerlaubnisprüfung. Rund 440 Täuschungsversuche registrierte die Prüfbehörde, in denen Fahrschüler technische Hilfsmittel verwendeten (zum Beispiel mit Übersetzer im Ohr, um die Anweisungen des Prüfers zu verstehen) oder einen Stellvertreter zur Prüfung schickten. „Wir wollen eine ordentliche Fahrerlaubnisprüfung durchführen und nicht erst eine aufwendige Identitätsprüfung des Bewerbers durchführen müssen“, sagte Werner an die Aufsichtsbehörde gewandt. Der TÜV brauche zwingend zuverlässige Informationen über das Ausweisdokument, das Grundlage des Prüfauftrags ist.

Verkehrsministerium will Fortbildungszeitraum auf fünf Jahre verlängern

Im offiziellen Teil nach der Mittagspause griff die stellvertretende Leiterin des Referats Verkehrspolitik und Verkehrsrecht im Verkehrsministerium die niedrigste Durchfallquote im TÜV-Nord-Gebiet lobend hervor: „Vielen Dank für die tolle Ausbildung“, bedankte sich Birte Ehlert bei den Fahrlehrern. Zur Fahrlehrerrechtsreform teilte sie mit, man justiere derzeit noch an manchen Schrauben nach. „Insgesamt aber hat die Reform zu einer Professionalisierung und Aufwertung Ihres Berufsstandes geführt“, meinte Ehlert.

Sehr gefreut habe sie, dass nun mehr Frauen den Beruf des Fahrlehrers erlernen wollen. Die beiden Fahrlehrer-Ausbildungsstätten in Schleswig-Holstein gaben zur Auskunft, dass ein Drittel aller angemeldeten Personen für den kommenden Ausbildungszyklus weiblich sind. Durch das Absenken des Mindestalters würden sich nun auch viele Abiturientinnen für den Beruf interessieren. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr hatten Frauen einen Anteil an Fahrlehrer-Prüfungen von zwölf Prozent.

Daran, dass sich die Zahl der jungen getöteten Erwachsenen in den vergangenen Jahren halbiert hat und auch die Zahlen der Leicht- und Schwerverletzten, ließe sich ablesen, dass das begleitete Fahren seinen Anteil geleistet hat. Deshalb wolle der Verkehrsminister Bernd Buchholz jetzt das begleitete Fahren ab 16 Jahren einführen. Das Problem sei, dass auf EU-Ebene in der Führerscheinrichtlinie das Mindestalter für B auf 17 Jahre festgelegt ist. Sollte sich die EU im April im Führerscheinausschuss für eine Absenkung für einen Modellversuch bereiterklären, würde sich Schleswig-Holstein einem Modellversuch mit Niedersachsen sofort anschließen.

Volkswagen begrüßt Nord-Mitgliederversammlung

Jost Krüger von Hauptsponsor Volkswagen begrüßte den Plan der Nordverbände, eine gemeinsame große Mitgliederversammlung auf die Beine zu stellen: „Bei 500 bis 600 Teilnehmern kann man eine größere Show an Fahrzeugen zeigen, die auch mit Fahrschulpedalerie ausgestattet sind“, sagte Krüger.

Krüger warnte die Fahrlehrer, dass Volkswagen zwischen den Kalenderwochen 31 und 47 Angebotslücken haben wird. Grund dafür ist WLTP, ein weltweit einheitliches Verfahren, um Abgaswerte zu messen und den Spritverbrauch zu ermitteln. Dieses Testverfahren verlangt, dass jedes neue Fahrzeug ab dem 1. August 2018 einen eigenen Wert je nach Konfiguration zugeschrieben bekommt. Das führt bei den Herstellern zu einer Unmenge an Tests, wodurch Sonderfahrzeuge erst einmal hintan stehen müssen. „In Brüssel hat man schlicht vergessen, dass es werksseitig umgebaute Fahrzeuge gibt. Man versucht deshalb jetzt, in Deutschland Ausnahmeregelungen zu finden.“

Fahrlehrerversicherung sieht Trend zu Vollkasko

Die Fahrlehrerversicherung repräsentierte Stefan Kottwitz, der sich bei den Mitgliedern für das vergangene Geschäftsjahr bedankte. Dem Rückgang der Fahrschulen entsprechend sank auch die Zahl der Mitglieder der Fahrlehrerversicherung. Jedoch konnte der Vertragsbestand um 0,2 Prozent erhöht werden. Das hänge zum einen mit gestiegenen Beiträgen, aber auch mit dem Trend zur Vollkaskoversicherung zusammen, meinte Kottwitz. Das Kapitalanlage-Ergebnis sei aufgrund der Flaute auf dem Finanzmarkt gesunken, dennoch seien wie immer 1,5 Prozent der Einnahmen aus den Beiträgen ins Eigenkapital geflossen.

Von Bressensdorf schimpft über Paragraf-31-Prüfaufträge

Der letzte Auftritt des Tages gebührte einem Mann, der den Landesverband zum ersten Mal vor 36 Jahren besucht hatte: Gerhard von Bressensdorf, scheidender Vorsitzender der Bundesvereinigung, sagte bei seinem 15. Amtsbesuch in Schleswig-Holstein „servus“ und erhielt für seinen launigen Rück- und Ausblick, aber auch für seine Verdienste für die Fahrlehrerschaft, stehende Ovationen.

Zuvor hatte von Bressensdorf Kritik an der Umsetzung von Paragraf 31 FeV. An die Vertreterin des Verkehrsministeriums, Birte Ehlert, gewandt, sagte er: „Es ist eine Zumutung, was man einem Fahrlehrer mit Menschen mit Migrationshintergrund auferlegt.“ Teilweise kommen sie mit einem Prüfauftrag, der sagt, sie bräuchten keinerlei Ausbildung, sie müssten sich nur von einem Fahrlehrer begleiten lassen. „Diesen Damen und Herren, die so etwas in den Prüfauftrag schreiben, denen würde ich nur eins gönnen: Einmal eine erste Stunde mit einem Fahrlehrer mitfahren, der so einen ‚erfahrungserprobten‘ Schüler aus Syrien, aus Russland, aus Nordafrika begleitet“, tobte der Bundesvorsitzende.

Im selben Zusammenhang schickte er an die Adresse des TÜV Nord: „Eins müssen wir radikal ändern: Sie können uns doch nicht die Leute, die von uns gar nicht ausgebildet wurden, negativ ankreiden. Wir haben ihnen nichts beibringen können, sollen aber mit unserem guten Namen geradestehen. Das kann und darf nicht sein.“

„Fuchsteufelswild“ mache ihn auch ein weiterer Punkt, es sei eine Ungeheuerlichkeit der Bundestagsabgeordneten, die ohne Kenntnis in ein Gesetz mal eben so hineinbeschließen, wie die freie Mitarbeitertätigkeit geregelt wird. Der Fahrschulinhaber könne nach Meinung von Bressensdorfs seine Pflichten gegenüber dem freien Mitarbeiter nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen, weil dieser nicht an Anweisungen gebunden ist und sich keiner Überwachung durch den Inhaber unterziehen muss. Ihn würde freuen, sagte er, wenn dieser Passus im Gesetz bald korrigiert würde.

(ms)


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