Eindeutiger hätte eine Wahl nicht ausfallen können, aber Zufriedenheit schafft eben auch Einigkeit: Einstimmig und ohne Alternativ-Kandidaten wählten die schleswig-holsteinischen Fahrlehrer auf ihrer Mitgliederversammlung Anfang März in Kiel ihren Landesvorsitzenden Frank Walkenhorst in sein neues altes Amt. Nach vier Jahren hatte die Wahl planmäßig auf der Tagesordnung gestanden.
Rührig sind sie, die Nordlichter. Und präsent auf sämtlichem Parkett, das die Fahrlehrerschaft unmittelbar oder mittelbar betrifft. Das zeigte der Geschäftsbericht. Ob parlamentarischer Abend, Arbeitskreise zu Motorrad oder ASF-Seminaren, der Verkehrsgerichtstag in Goslar, Fahrlehrerfortbildungen oder KWV-Beiratssitzung – Frank Walkenhorst und seine Kollegen vertraten die Interessen der Fahrlehrerschaft an vielen Fronten. „Was uns nachdenklich stimmt, ist eine Beobachtung, die wir bei unseren Gesprächen mit Politikern gemacht haben“, sagte Walkenhorst. „Der Informationsstand vieler Politiker hinsichtlich der Erfordernisse an eine gute Fahrschul-Ausbildung entspricht der des normalen Bürgers. Das fachliche Know-how, um in verkehrsrechtlichen Angelegenheiten im Sinne einer Förderung der Verkehrssicherheit entscheiden zu können, fehlt vielen Politikern gänzlich.“ Kein Wunder, sind die meisten Politiker doch eher älteren Semesters und haben das Fahren einst in einem ganz anderen Rahmen gelernt als es der Straßenverkehr von heute erfordere. Entsprechend sei die Fahrlehrerschaft gefordert, die Politik adäquat zu beraten. Die Politik müsse aber auch offene Ohren beweisen und nicht taub und blind allen möglichen „Vereinfachungen“ und „Einsparpotenzialen“ nachgeben. Gerade in Sachen Reform des Fahrlehrerrecht sei das bedeutsam – insbesondere vor dem Hintergrund, dass es noch immer keinen Entwurf für das neue Gesetz gibt und der Fahrlehrerschaft damit jegliche Diskussionsgrundlage fehlt. „Wir können nicht zu etwas Stellung beziehen, das wir noch gar nicht kennen“, so Walkenhorst. „Man muss die Dinge zu Ende denken.“
Walkenhorst stellte den Teilnehmern auch den neu gegründeten „Arbeitskreis Zukunft“ des Verbandes vor. Denn nicht nur gesetzliche Rahmenbedingungen ändern sich, sondern auch die Verkehrsteilnehmer. Zum einen sei da die „Generation Kopf unten“, die mit dem Smartphone durchs Leben navigiert und nicht zuletzt vom Fahrlehrer davon überzeugt werden müsse, dass der Blick im Straßenverkehr gesunderweise aufs reale Geschehen zu richten ist.
Hinzu komme der technologische Fortschritt. „Viele Kollegen befürchten, dass Fahrassistenzsysteme dem Autofahrer Know-how abnehmen, der Autofahrer also weniger können muss als früher, um am Straßenverkehr teilzunehmen“, sagte Walkenhorst. „Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall, denn ohne Fahrassistenzsysteme auskommen zu können, ist es etwas völlig anderes als sie nicht zu beherrschen.“ Hier böte sich eine echte Marktlücke für Fahrschulen, in Sachen Assistenzsysteme zu unterrichten. Derzeit gebe es auch Überlegungen, dass jedes Fahrschulfahrzeug fünf Systeme im Auto haben könne, von denen der Fahrerlaubnisprüfer drei in seine Prüfung einbeziehen kann.
Eine Idee, die viele der anwesenden Mitglieder inspirierte, kam vom Volkswagen-Fahrschulexperten Tobias Heilmann: „Wie wäre es mit einer Kooperation zwischen Fahrschule und Autohaus? Viele Kunden bedürfen einer praxisorientierteren Einführung in die Nutzung von Fahrassistenzsystemen, die meisten Autohäuser können das jedoch nicht leisten. Sicher sind viele offen dafür, den Kunden von einem versierten Fahrlehrer mit den Potenzialen seines neuen fahrbaren Untersatzes vertraut machen zu lassen.“ Die Schleswig-Holsteiner jedenfalls sind gespannt, was ihr Arbeitskreis entwickeln wird und laden ihre Mitglieder herzlich ein, sich zu beteiligen. „Der Fahrlehrer-Verband Berlin hat mit seinem Arbeitskreis Zukunft schon auf sich aufmerksam gemacht und tolle Anregungen auf den Weg gebracht“, sagte der Landesvorsitzende.
Auch in Schleswig-Holstein ein Problem: die Ausbildung in den Grundfahraufgaben in der Motorrad-Ausbildung. Walkenhorst appellierte hier an die Fahrlehrerschaft, es nicht auf Gerichtsverfahren ankommen zu lassen. „Die Gerichte entscheiden nach der StVO und wenn sie beispielsweise im Aufstellen von Slalom-Kegeln eine ‚abstrakte Gefährdung‘ sehen, zieht der Fahrlehrer immer den Kürzeren.“ Derzeit werden Konzepte erprobt, die ohne Pylonen auskommen, dennoch täte es Not, die StVO entsprechend zu heilen. Auch hinsichtlich „unnötigen Hin- und Herfahrens“ und „Lärmbelästigung“.
Der demografische Wandel ist auch in Schleswig-Holstein zu spüren. Fast 65 Prozent der Mitglieder sind über 50. Vorsichtig optimistisch sind die Nordlichter dennoch, denn der Mitgliederschwund ist gering. Ziel müsse aber sein, neue Mitglieder hinzuzugewinnen, betonte Frank Walkenhorst. „Auch wenn es eine Binsenweisheit ist, es stimmt: Einigkeit macht stark!“ Was vielen Fahrlehrern nicht bewusst sei: Der Fahrlehrerverband ist kein Arbeitgeberverband, sondern auch für angestellte Fahrlehrer da. Viele Mitgliederpotenziale seien noch längst nicht ausgeschöpft.
Auch der Fachbeitrag des 2. stellvertretenden Vorsitzenden der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, Dieter Quentin, beschäftigte sich mit einem Zukunftsthema: Sind die beruflichen Grundlagen der Fahrlehrerschaft zukunftsfähig? Ausbildungstechnisch stehen die Schleswig-Holsteiner gut da: Sowohl in Bezug auf die theoretische als auch hinsichtlich der praktischen Prüfungen im Land liegt die Nicht-Bestehensquote bei den Prüflingen deutlich unterhalb des Bundesdurchschnitts. Die Verdienstmöglichkeiten für Fahrlehrer in den Ballungsräumen Schleswig-Holsteins sehen auch nicht übel aus – vor allem, wenn man bedenkt, dass angestellte Fahrlehrer im Bundesdurchschnitt zwischen 1.500 und 3.500 Euro monatlich verdienen. Es scheint, als hätte sich im Norden mancher zu Herzen genommen, was einst Robert Bosch sagte: „Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne zahle“.
Wer seine Zukunftsfähigkeit überprüft, stellt zugleich auch immer die Frage nach der Bilanz – was haben wir erreicht, wo mussten wir passen? Als großen Erfolg sieht Quentin den Erhalt der professionellen Fahrausbildung in Deutschland. „Bis Anfang der 1980er Jahre gab es auch in Deutschland noch die sogenannte Laienausbildung, und es bestand immer die Möglichkeit, dass diese hierzulande wieder eingeführt wird.“
Europaweit setzen lediglich Dänemark und Portugal konsequent auf Profi-Ausbildung, in allen anderen europäischen Ländern ist Laienausbildung noch immer an der Tagesordnung. Ebenfalls positiv: Die Fahrlehrerverbände haben es geschafft, sich als kompetente Partner der Gesetzgebung zu etablieren. „Wir erarbeiten viele neue Regelungen mit“, sagte Quentin. „Unsere curricularen Leitfäden sind mittlerweile sogar gerichtsfest geworden. Bei Streitigkeiten wird anhand unserer Leitfäden geprüft, ob eine Fahrausbildung ordnungsgemäß stattgefunden hat.“ Nicht zuletzt sei die hochprofessionelle Ausbildung der Fahrlehrer selbst ein Meilenstein, der messbaren Einfluss auf das Verkehrsgeschehen und die Sicherheit im Straßenverkehr habe. Quentin: „Das neue Fahrlehrerrecht wird uns fordern, und es wird Veränderungen bringen. Unterm Strich birgt es aber auch Chancen. Es liegt an uns, sie zu nutzen.“
(Judith Böhnke)