Bei der Mitgliederversammlung des Fahrlehrerverbands Sachsen-Anhalt am 5. März erhielt das Modellprojekt AM15 Lob von allen Seiten.
Thomas Webel sprach als Minister für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt zunächst über den Stand der Fahrlehrerreform. Gewiss sei, dass die Fahrlehrerausbildung reformiert werden sollte, sagte Webel. Dabei spielt nicht nur der Bürokratieabbau, sondern auch „die Verkehrssicherheit und die pädagogische Ausbildungsqualität der Fahrschule“ eine wichtige Rolle. Eine weitere Richtungsentscheidung ist nach der Beratung der Fachexperten beim Bund-Länder-Fachausschuss in Saarbrücken zu erwarten.
AM 15 bedient Mobilitätsbedürfnis der Jugendlichen
„Der Führerschein AM 15 ist eine Erfolgsgeschichte“, resümierte Webel und ging dann auf das Modellprojekt ein, das Jugendlichen in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen erlaubt, mit 15 Jahren den Moped-Führerschein zu machen. Es sei schon die 17.000. praktische Prüfung zum Führerschein AM 15 abgenommen worden, während die Fahrerlaubnisklasse AM 16 vor Einführung des Modellprojekts am 1. Mai 2013 „ein Schattendasein von circa 100 Prüfungen jährlich“ gefristet habe. Besonders nachgefragt werde dieser Führerschein in den ländlichen Regionen Sachsen-Anhalts - hier gebe es „ein hohes Mobilitätsbedürfnis“. Trotz der immensen Nachfrage seien der Polizei „keine besonderen Vorkommnisse“ bei Unfällen bekannt. Dieser Erfolg zeige, dass die Jugendlichen sehr bewusst mit AM 15 umgehen. Webel forderte eine einheitliche bundesrechtliche Reglung, um AM 15 auch in anderen Bundesländern einzuführen. „Jugendliche sollten nicht an Ländergrenzen Halt machen müssen, weil sie dort Gefahr laufen, dass ihr Führerschein außerhalb nicht anerkannt wird“, sagte er.
„Aber das Modellprojekt werde erst dann akzeptiert, wenn dieses wissenschaftlich evaluiert worden ist“, warnte Webel. Eine endgültige Auswertung des Projekts sei erst 2017 zu erwarten. „Danke, dass Sie den Modellversuch unterstützen und Jugendliche motivieren, diesen Führerschein zu machen.“
„Wir werden zusammen mit der BVF daran arbeiten, AM 15 zum Bundesgesetz zu machen“, sagte Wolfgang Prescher, Vorsitzender des Fahrlehrerverbands Sachsen-Anhalts. Außerdem sei es das Ziel, die Klasse AM aus den Vierradklassen B und T herauszunehmen. „Das ist uns bisher noch nicht gelungen, aber wir kämpfen dafür.“
Glowalla kritisiert fehlenden Gesetzestext
Peter Glowalla ging in seinem Vortrag zum Zustand des Fahrlehrerberufs in Deutschland ebenfalls auf die Reform des Fahrlehrerrechts ein. Der 1. stellvertretende Vorsitzende der BVF blickte dabei zunächst auf den Verkehrsgerichtstag 2016 zurück. 125 Fahrlehrer diskutierten in Goslar die Reformpläne sehr engagiert, hatten es laut Glowalla aber schwer. Diskussionsgrundlage sei normalerweise ein Gesetzesentwurf, „aber wir hatten nur ein unverbindliches Schwerpunktpapier“. Damit hätte man nicht sachgerecht diskutieren können. Außerdem beklagte er „Geheimtagungen“ der Verwaltung - aus Angst, „dass der Berufsstand etwas zerreden könnte“. Das sei ein „so unglaublicher Vorgang, wie ich ihn in 20 Jahren meiner Amtszeit nicht erlebt habe“, sagte Glowalla.
Aber Glowalla ging auch mit dem eigenen Berufsstand ins Gericht: Fahrlehrer können mit Assistenzsystemen noch nicht in dem Maße umgehen, wie sie es sollten. „Das können wir uns nicht leisten“, warnte er. Fahrschulen hätten die „Lufthoheit“ bei den Fahrerassistenzsystemen und beim teilautomatisierten Fahren abgegeben. „Wir haben noch drei bis fünf Jahre Zeit – und nicht zehn bis 15 –, um am Markt zu bleiben“, sagte er. Glowalla rief die Fahrlehrer auf, sich in zu engagieren: „Unsere beruflichen Grundlagen sind zukunftsfähig, wenn wir die anstehenden Herausforderungen annehmen.“
Sachsen-Anhalt als Vorreiter bei EPA/VNF-Verfahren
Andreas Schmidt von der Dekra wertete das Prüfgeschehen 2015 in Sachsen-Anhalt aus: In Sachsen-Anhalt habe es 2015 einen Anstieg bei den theoretischen Prüfungen um 8,7 Prozent gegeben, bei den praktischen um 6,2 Prozent. AM 15 sei um 18,7 Prozent gewachsen. „Da zeigt sich der Erfolg von AM 15“, stellte Schmidt fest und begrüßte, dass junge Verkehrsteilnehmer Schritt für Schritt an den Straßenverkehr herangeführt würden. Die Fahrlehrer böten durch fundierte Theorie und Praxis dabei eine gute Grundlage.
Schmidt schilderte außerdem die Entwicklung des EPA/VNF-Verfahrens bei der Dekra von 2002 bis 2015, mit dem Fahrerlaubnisbehörde und technische Prüfstelle „medienbruchfrei“ kommunizieren. Die positive Resonanz der Fahrlehrer und Bewerber war die Grundlage, dass das neue Verfahren in Paragraf 22a Fahrerlaubnis-Verordnung seinen Niederschlag fand. Sachsen-Anhalt habe als erster Anwender des Verfahrens wesentlich dazu beigetragen, sagte er. Schmidt gab einen Ausblick auf die weitere Entwicklung in diesem Bereich: Geplant sei der Ausbau der medienbruchfreien Kommunikation bis zum Bewerber – mit abschließender elektronischer Übergabe der Fahrberechtigung aufs Handy des Bewerbers. „Die Zukunft bleibt spannend“, stellte Schmidt fest.
„Räuber-Republik Deutschland“
Andreas Anft gab einen Einblick in das abgelaufene Geschäftsjahr der Fahrlehrerversicherung (FV): Die FV hatte im vergangenen Jahr 79.604 Kunden (2014: 79.633) und nahm 65.1 Millionen Euro über die Beiträge ein (2014: 62.9). 19.601 Kfz-Schäden waren zu verzeichnen (2014: 18.917). Unter dem Stichwort „Räuber-Republik Deutschland“ warnte Anft vor Einbrüchen in die Geschäftsräume von Fahrschulen. Insgesamt habe es im vergangenen Jahr 152.000 Einbrüche dieser Art gegeben, nur 16 Prozent konnten aufgeklärt werden. Diese Einbrüche seien oft mit Vandalismus verbunden, Schadenersatzansprüche oft nicht durchsetzbar, da der Täter mittellos sei.
Anft empfahl die Beratung durch die FV, um sich vor rabiaten Langfingern abzusichern. Der sogenannte Fahrerschutz ist laut Schrade ein neuer Baustein im FLV-Portfolio. Für 29,90 Euro pro Jahr ersetzt die FLV den unfallbedingen Personenschaden des Fahrers, falls dieser durch einen Unfall beim Lenken des versicherten Fahrzeugs zu Schaden kommt. Der Clou dabei: Dieser Schutz gelte auch für den ausbildenden Fahrlehrer, der während einer Ausbildungs- oder Prüfungsfahrt auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat.
Sicherheit dank Fangseil
Matthias Lorenz vom Hauptsponsor VW präsentierte das Fahrschulprogramm von VW: 17 Prozent Fahrschulnachlass, kostenfreie Selbstabholung der Fahrzeuge in der Autostadt, 24-Monats-Leasing-Vertrag für die Modelle Polo, Golf, Golf Sportsvan und (dem alten) Tiguan und zusätzlich das Paket „Clever Mobil“. Darin erhalten sind die Services „ReifenClever“ nach Stückzahl sowie „Wartung & Verschleiß“.
Er erinnerte an den Golf und den Golf Variant mit Erdgas-Antrieb und wies auf die Website www.volkswagen-fahrschulportal.de hin, auf der sich Fahrschulen registrieren können, um Hilfsmittel für den Arbeitsalltag als Fahrlehrer herunterladen zu können, etwa Prüfungstauglichkeitsbescheinigungen oder die Lernsoftware „Virtuelle Magnettafel“. Lorenz empfahl außerdem dringend, den zweiten Innenspiegel in VW-Fahrzeugen mit dem mitgelieferten Fangseil zu sichern, um im Fall einer Airbag-Auslösung schlimme Verletzungen durch einen umherfliegenden Spiegel zu verhindern.
Wenig Prüforte in der Klasse AM
Im internen Teil der Veranstaltung stellte Wolfgang Prescher einen relativ stabilen Stand bei den Mitgliederzahlen fest. Die Mitgliederzahl sank 2015 im Vergleich zum Vorjahr um sechs. Der Verband hat aktuell 183 Mitglieder, davon sind 117 selbstständig. Die Altersstruktur bereitete Prescher Kopfzerbrechen, sie „spreche für sich selbst“, wie er sagte. Da die Mehrzahl der Mitglieder der Altersgruppe über 50 Jahren angehört, müsse man junge Kollegen für die Mitgliedschaft gewinnen.
Prescher sprach außerdem Probleme mit dem elektronischen Versand der Verbandsrundschreiben gegeben. Es sei nicht gelungen, den Versand per E-Mail umzusetzen, da nur 70 Prozent der E-Mail-Adressen vorgelegen hätten, bedauerte er. Der digitale Versand wurde deshalb per Mitgliederbeschluss rückgängig gemacht und der Vertrieb der Post beibehalten. Der Vorsitzende monierte zudem mangelnde Prüforte für die Klasse AM. Anfahrtswege zu den Prüforten seien deshalb zum Teil sehr weit, vor allem im ländlichen Raum, was erhöhte Kosten für die Bewerber bedeute. „Wir sollten mit Dekra und dem Verkehrsministerium diskutieren, um vielen jungen Menschen Zugang zum Führerschein mit 15 zu gewähren“, sagte der Vorsitzende.
(tc)