Auch die rheinischen Fahrlehrer sind skeptisch, fragt man sie zur geplanten Reform des Fahrlehrerrechts. Bei ihrer Mitgliedsversammlung in Lahnstein beklagten sie offene Sachfragen und verschlossene Politiker.
„Wir haben keine Chance zu sagen, wo der Schuh drückt, da die Verantwortlichen im stillen Kämmerlein tagen“, kritisierte Heinrich Haas, der Vorsitzende des Fahrlehrerverbands Rheinland. So hätte die Fahrlehrerschaft auf dem Verkehrsgerichtstag 2016 in Goslar auf einen diskussionswürdigen Reform-Entwurf des Ministeriums gewartet, aber geliefert worden seien nur Absichtsbekundungen und Schlagworte. Haas befürchtete, dass die Ausbildung der Fahrschüler „auf der Strecke“ bleibe, sollte sich die geplante Fahrlehrerausbildung durchsetzen.
Herumdoktern an Reform
Drei Jahre werde nun schon an der Fahrlehrerrechtsreform „herumgedoktert“, ergänzte Gerhard von Bressensdorf, der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF). Es sei zugegebenermaßen schwierig, allen Wünschen gerecht zu werden, denn es gebe „eine Vielzahl offener Fragen“. Von Bressensdorf beklagte insbesondere die Verhandlungen im „internen, geheimen Zirkel“. Er habe es noch nie erlebt, dass ein Berufsstand kaum wisse, was mit ihm geplant sei. Am 20. Juni sollten nun endlich die Entwürfe der Gesetzesvorlage im Bundestag behandelt werden.
Ministerialdirigent Dr. Lothar Kaufmann vom rheinland-pfälzischen Innenministerium sprach über die Verkehrssicherheitsarbeit in Rheinland-Pfalz sowie über aktuelle Entwicklungen im Fahrlehrerrecht. Er bescheinigte dem Bundesland ein hohes Verkehrssicherheitsniveau, wies aber auch auf Probleme hin. Insgesamt gab es im Jahr 2015 nach Kaufmanns Angaben 194 Verkehrstote – eine Anzahl, die im Vergleich zum Vorjahr (2014: 175) eine rückläufige Entwicklung darstelle.
Tödliche Baumunfälle auf Landstraßen
Insbesondere junge und alte Verkehrsteilnehmer seien gefährdet: In der Altersgruppe zwischen 18 und 34 Jahren zum Beispiel habe es 2015 zehn Prozent mehr getötete Fahrer als 2014 gegeben. Unabhängig vom Alter seien innerorts Fußgänger und auf Landstraßen Motorradfahrer – Stichwort: Baumunfall – überdurchschnittlich häufig in Unfälle verwickelt. Er sprach sich deshalb unter anderem dafür aus, den Führerschein mit 17 weiter auszubauen und an Schulen weiter verstärkt für Verkehrssicherheit zu werben.
Kaufmann gab im Anschluss einen kurzen Überblick über den Sachstand zur Reform des Fahrlehrerrechts. „Die Gesetze konkretisieren sich langsam“, sagte er, „es wird eifrig diskutiert.“ Er erwarte, dass das Gesetz noch vor dem Ende der Legislaturperiode im Herbst 2017 in Kraft treten werde.
Absage an Konzern-Fahrschulen
In seinem Vortrag „Sind unsere beruflichen Grundlagen zukunftsfähig?“ analysierte Gerhard von Bressensdorf aktuelle Probleme des Berufsstands. Unter anderem ging der BVF-Vorsitzende auf den in der Reform geplanten Wegfall des Berichtshefts ein: „Ich bin für alle Vereinfachungen, die möglich sind, aber ich wünsche mir einen Mindestnachweis zum Selbsterhalt der Fahrschulen“, sagte er.
Von Bressensdorf kritisierte auch die derzeit bestehenden Reform-Unwägbarkeiten bei den Kooperationsmöglichkeiten zwischen Fahrschulen. „Was kommt da?“, fragte er. „Aldi- und Tchibo-Fahrschulen? Haben diese ein anderes Interesse als die Verkehrssicherheit? Wenn ja, wollen wir das nicht.“ Gleiches gelte für den Wegfall der Zweigstellenbeschränkung. Diese sei der „Tod der mittelständischen Fahrschule“.
Weitere Themen lagen von Bressensdorf am Herzen – und er sprach diese gewohnt deutlich an: Der Weg zum autonomen Fahren dauere noch länger, prophezeite er. In der Zwischenzeit seien zum Beispiel die Fahrerassistenzsysteme, das teilautomatisierte Fahren sowie der Simulator heiße Eisen bei der Schulung. „Wir müssen den Spagat schaffen von der ‚Seifenkiste‘ hin zum hochmodernen Fahrzeug“, sagte von Bressensdorf und rief den Fahrlehrern zu: „Geht den Schritt, diese Systeme mit in die Ausbildung einzubauen.“
„Sind unsere beruflichen Grundlagen also zukunftsfähig?“, fragte von Bressensdorf zum Abschluss. Noch nicht, lautete seine Antwort. „Verwaltung, Berufsstand und Politik müssen dringend miteinander sprechen. Dann können wir noch an der Fahrlehrerrechtsreform feilen.“
TÜV: Ablenkung als Thema der Zukunft
Bernd Nentwig von Hauptaussteller Audi stellte unter anderem Produktneuheiten seines Unternehmens vor. So präsentierte er den neuen Audi A4, den neuen Audi A4 allroad quattro, der seit Kurzem mit Fahrschulausstattung ab Werk bestellbar ist sowie den Audi A3 Sportback, der eine Produktaufwertung erfahren hat. Der Audi-Vertreter hoffte zudem, dass der neue Audi Q2 ein Zugpferd für Fahrschulen wird: Das Fahrzeug ist mit jeweils drei Benzin- und TDI-Motoren, Sechsgangschaltgetriebe und Fahrschulausstattung erhältlich - und ab August bestellbar.
Prof. Dr. Jürgen Brauckmann vom TÜV Rheinland Berlin Brandenburg Pfalz ging zunächst auf das Prüfungsgeschehen in Rheinland-Pfalz ein. Etwa 57.000 theoretische und 55.000 Praxisprüfungen seien 2015 im Rheinland abgelegt worden. Die Nichtbestehensquote bei den praktischen Erstprüfungen in der Klasse B habe 27,45 Prozent betragen. Damit liege das Rheinland etwas unter dem Bundesdurchschnitt von 29,32 Prozent. In seinem Vortrag nannte Brauckmann außerdem das Problem Ablenkung als entscheidendes Thema der zukünftigen Verkehrssicherheit. „Was sich hier abspielt, ist die Karikatur dessen, was in anderen Bereichen erreicht worden ist“, sagte er.
Vorstandsmitglied Rolf Schrade blickte auf das Geschäftsjahr der Fahrlehrerversicherung (FLV) zurück: Die FV hatte im vergangenen Jahr 79.604 Kunden (2014: 79.633) und nahm 65.1 Millionen Euro über die Beiträge ein (2014: 62.9). 19.601 Kfz-Schäden waren zu verzeichnen (2014: 18.917). Neu im Programm der FV ist der Fahrerschutz, teilte Schrade mit. Dieser ersetzt den unfallbedingen Personenschaden des Fahrers. Der Besondere dabei ist, dass dieser Schutz laut Schrade auch für den ausbildenden Fahrlehrer gilt, der während einer Ausbildungs- oder Prüfungsfahrt auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat.
Wettbewerbsverzerrung durch unregelmäßige Überwachung
Im internen Teil ehrte Heinrich Haas zunächst seinen ehemaligen ersten Stellvertreter Peter Grünwald, der im vergangenen Jahr nicht mehr kandidierte. Haas dankte Grünwald, der seit 1994 erster stellvertretender Vorsitzender gewesen war, für dessen langjähriges Engagement im Verband.
Haas begann seinen Geschäftsbericht mit praktischen Hinweisen zu den neuen Prüfungsfahrzeugen ab 2017: Die Auslegungshilfe zu den Anforderungen an diese Fahrzeuge sei auf der Internetseite des Landesverbands Rheinland abrufbar und solle im Oktober 2016 im Verkehrsblatt veröffentlicht werden. Bei Änderungen informiert der Verband laut Haas seine Mitglieder per E-Mail und im Verbandsheft „Schulterblick“.
Anschließend beschrieb der Vorsitzende in seinem Geschäftsbericht Unregelmäßigkeiten, die Berufsstand und Fahrschüler im Rheinland regelmäßig auf die Palme bringen. So sei es zum Beispiel schmerzhaft, wenn man höre, dass Fahrschulen in 20 Jahren nicht einmal überwacht worden seien, während viele andere sehr wohl im Fokus der Behörden standen. „Das ist Wettbewerbsverzerrung“, schimpfte Haas. „Das können wir so nicht hinnehmen.“
Unerträgliche Hürden für Analphabeten
Unerträglich sei es auch, wie schwierig es sei, von der Verwaltung Hilfe für Behinderte bei der theoretischen Prüfung zu bekommen: „Er muss sich beim Arzt und der Behörde quasi ein Schild mit ‚Analphabet‘ umhängen“, sagte Haas. Dabei könne nicht manipuliert werden, wenn jemand Kopfhörer aufhabe. Aber die Landesregierung zeige sich bislang sehr uneinsichtig. Haas: „Vielleicht haben wir mehr Glück beim neuen Verkehrsminister.“
Nach dem Geschäftsbericht wurde der Vorstand einstimmig entlastet. Haas wies zum Abschluss daraufhin, dass der Fahrlehrerverband Rheinland im nächsten Jahr sein 65. Jubiläum feiert. Er kündigte eine festliche Abendveranstaltung im Rahmen der Mitgliederversammlung 2017 an. Diese wird erneut in Lahnstein stattfinden.
(tc)