Das Thema hatte es schon bis in die Presse der Hansestadt geschafft. Am 22.Januar berichtete das Hamburger Abendblatt über die angespannte Situation bei der Vergabe von Prüfungsplätzen durch den TÜV: „Wer in Hamburg seinen Führerschein machen will, braucht viel Geduld“, schreibt die Zeitung. Für die Fahrschulen, die die Prüfungstermine vereinbaren, „werde es immer schwieriger, einen zu ergattern“.
Die Wartezeit liegt derzeit bei sechs Wochen und mehr. Ursächlich dafür sind Personalmangel und hoher Krankenstand beim TÜV Hanse, der in Hamburg die Prüfungen abnimmt. Dadurch kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu Verzögerungen und Terminabsagen, die die Nerven aller strapazierten.
Und Hamburgs Fahrschüler und -lehrer sind der katastrophalen Situation überdrüssig. Bei der Jahreshauptversammlung des Fahrlehrerverbands im Heimfelder Hotel Lindtner zog sich das Thema „Probleme bei der Vergabe von Prüfungsplätzen“ deshalb durch die gesamte Veranstaltung – und ließ ein ums andere Mal selbst beherrschte Hanseaten aus der Haut fahren. Vorträge, Wortmeldungen und – in der Tagesordnung vorgezogene – Anträge zeigten, wie sehr das Thema unter den Nägeln brannte.
„TÜV muss umplanen“ – auch Fahrlehrer sind gefordert
Als erster Redner nahm Bernd Krösser den Ball auf. Die Querelen bei der Platzvergabe seien ein „gemeinsames Problem“ von TÜV Hanse, Behörden und Fahrlehrern, sagte Hamburgs Staatsrat für Inneres und Sport. Es bestehe deshalb ein „gemeinsames Interesse, dass die Fahrerlaubnisprüfungen geplant ablaufen können“. Er habe sich intensiv mit dem TÜV Hanse ausgetauscht, um die aktuellen Probleme zu lösen. Die Hamburger Prüforganisation müsse „umplanen“, um langfristig wieder „verlässliche Wartezeiten“ anzubieten. „Es kann nicht sein, dass man zwei Monate warten muss“, sagte Krösser.
Der TÜV Hanse habe sich bereits für Lösungen eingesetzt und werde mehr Personal einstellen, „um kurzfristig Besserung zu schaffen“, teilte der Behördenvertreter mit. Sollte das nicht funktionieren, werde man sich wieder zusammensetzen. Dabei sei auch die Unterstützung des Fahrlehrerverbands nötig, denn „eine dauerhafte Lösung kann nur gemeinsam funktionieren“. Die Fahrlehrer seien gefordert, „mit ihrem Sachverstand mitzugestalten“, sagte Krösser.
Das sah auch die Vorsitzende des Hamburger Fahrlehrerverbands so – und nahm die Fahrlehrer in die Pflicht. Diese müssten mithelfen, dass die Bemühungen des TÜV Früchte tragen, sagte Sabine Darjus. „Dazu gehört es auch, dass Prüfungstermine von den Fahrschülern auch wirklich wahrgenommen werden.“
Angebote vom TÜV
Der Vertreter des so kritisierten TÜV Hanse kam zu Wort. Geschäftsführer Hero Wilters lag spürbar daran, die Wogen zu glätten, und bat gleich zu Beginn seiner Rede um Entschuldigung. „Unsere Leistung war nicht überragend und nicht unser Standard“, gab er zu. In der Vergangenheit hatte sein Unternehmen nach eigenen Angaben mit stagnierenden Einnahmen und steigenden Kosten zu kämpfen, was Auswirkungen auf die Personalpolitik der eh schon unter Nachwuchsproblemen leidenden Organisation hatte. Hinzu seien „krankheitsbedingte Ausfälle“ und Probleme in der Umsetzung der neuen Software gekommen.
Wilters kündigte kurz- und langfristige Maßnahmen an, um die Kapazitäten zu erhöhen. Der TÜV Hanse soll schnell Unterstützung vom TÜV Süd bekommen, der 100 bis 150 praktische Prüfungen pro Woche abnehmen soll. Außerdem machte er den Fahrlehrern ein Angebot: Im März 2017 sollen seinen Angaben nach 3.500 Theorieprüfplätze zur Verfügung stehen, um in der Ferienzeit den Prüfungsstau aufzulösen. Langfristig will der TÜV Hanse neue Mitarbeiter einstellen und ausbilden. So ständen im Sommer fünf weitere Mitarbeiter zur Verfügung, kündigte Wilters an.
Der TÜV-Vertreter äußerte zugleich die Hoffnung, dass gebuchte Prüfplätze nicht unbesetzt bleiben. „Oft erscheinen die Prüflinge nicht zur Theorieprüfung“, kritisierte Wilters. Bereitgestellte Kapazitäten würden dann verschwendet. „Kucken Sie, dass die Leute da sind“, rief er den Fahrlehrern zu. Außerdem monierte er die „deutlich angestiegene“ Nichtbestehensquote. Das sei „unverständlich“ und „zum Teil eine Katastrophe“.
„Rote Karte“ der Fahrlehrer
Sabine Darjus bedankte sich für die Angebote des TÜV und ließ nun die anwesenden Fahrlehrer zu Wort kommen. Diese ließen sich nicht lange bitten. Warum gibt es keine Überprüfung durch die Innenbehörde? Ist es möglich, samstags Prüfungen zu fahren, „um wieder zur Normalität zurückzukehren“? Warum gibt es keine Unterstützung durch den TÜV Nord? Ein Fahrlehrer wies Wilters Bemerkungen zu den hohen Durchfallquoten zurück. Das wolle er nicht „auf sich sitzen lassen“, schimpfte er. Eine andere Kollegin drängte zur Eile: „Wie brauchen jetzt mehr Prüfer – und zwar jetzt, nicht in zwei Wochen.“ Der Ärger auf den TÜV Hanse war deutlich spürbar.
Das spiegelten auch die Mitgliederanträge wider, die in der Tagesordnung vorgezogen wurden. Mit Blick auf die prekäre Lage beim TÜV Hanse wurde gefordert, eine zweite Prüforganisation in Hamburg zu etablieren. Der Antrag – der gesetzlich ohnehin nicht durchsetzbar wäre – scheiterte denkbar knapp mit 25 Pro- zu 26-Contra-Stimmen (20 Enthaltungen). „Für den TÜV war dennoch ein Schuss vor den Bug“, kommentierte Darjus das Votum der Fahrlehrer. Die Fahrlehrer hätten der Prüforganisation „die rote Karte“ gezeigt.
In einem weiteren Antrag forderte ein Mitglied den freien Zugang zu den Theorieprüfungen ohne Computeranmeldung – also wie früher zu vorher festgelegten Zeiten –, um den Hamburger Fahrschulen aufwendige Recherche- und Anmeldearbeit zu ersparen. Der Antrag wurde mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Mit 25 Ja- zu 9 Nein-Stimmen (18 Enthaltungen) durchgewinkt wurde jedoch der Vorschlag, ein Punktsystem bei der Beantragung der praktischen Fahrprüfung einzusetzen, um Fahrlehrern eine flexiblere Planung zu ermöglichen, wenn sie zur Prüfung anmelden. Zurückgezogen wurde der Antrag, Fahrlehrern einen finanziellen Ausgleich durch den TÜV zu gewähren, wenn praktische Prüfungstermine ausfällen oder sich verschieben. Eine derartige Regelung gebe es bereits, wies Darjus hin.
„Goldene Regeln“ zum autonomen Fahren
Bei allem Ärger mit dem TÜV Hanse – es gab auch noch andere Themen. Gerhard von Bressensdorf schilderte in seinem Vortrag, wie die Rahmenbedingungen für den Fahrlehrerberuf Im Jahr 2025 wohl aussehen können, mit besonderem Fokus auf das autonome und vernetze Fahren.
Dazu kommentierte der BVF-Vorsitzende zunächst strittige Punkte der Fahrlehrerrechtsreform und rief zur Zusammenarbeit auf. Es sei schwierig gewesen, ein solches Gesetz bei den unterschiedlichen Interessenlagen in Bund, Ländern und Verbänden hinzubekommen, sagte er und warnte: „Wer dieses Gesetz verhindern will, verhindert die Zukunft.“ So sei es eben politscher Wille, dass die Fahrerlaubnisklassen A2 und CE als Zugangsvoraussetzungen wegfallen, obwohl die BVF nach wie vor davon überzeugt sei. „Aber es geht nicht“, stellte von Bressensdorf fest.
Auch die 11. Änderungsverordnung zur Fahrerlaubnis-Verordnung geht seiner Ansicht nach nicht. Es könne niemand verstehen, dass Deutschland eine „in Teilen unsinnige“ EU-Richtlinie mit „kaum nachvollziehbaren Verschlimmbesserungen“ umsetzen müsse. Es reiche, die Änderungen nur zu lesen, dann sei man als Fachmann „nahe am Herzinfarkt“.
Schließlich ging von Bressensdorf auf sein Kernthema autonomes Fahren ein. Der Bundesgesetzgeber habe vor kurzem ein Gesetz dazu auf Weg gebracht - das Autopilot-Gesetz. Darin bleibe die Verantwortung für das Fahren auch beim hochautonomen Fahren unverändert immer beim Fahrer. Fahrzeuge würden außerdem so konzipiert, dass sie durch ein digitales Netz „begleitet, bewacht und geführt“ werden müssten, um Kollisionen zu vermeiden. Was wird im Detail zu beachten sein? Von Bressensdorf formulierte „sieben goldenen Regeln“, die in Zukunft dabei eine Rolle spielen werden. Er forderte zum Beispiel ein „völliges Umdenken“ bei der Raum- und Verkehrsplanung und machte auf technische, rechtliche sowie ethische Probleme aufmerksam. Neben dem „Faktor Mensch“ sei Datensicherheit sei „eines der brennendsten Probleme des autonomen Fahrens überhaupt“.
„Begleiten Sei Ihren Berufsstand zu neuen Entwicklungen“, rief er den Hamburger Fahrlehrern zu. „Was wir dringend brauchen, ist die Ermächtigung, unsere Schüler intensiv auf die rasch fortschreitende Digitalisierung vorzubereiten.“
Generationswechsel bei Volkswagen
Tobias Heilmann vom Hauptaussteller Volkswagen bat die Anwesenden zunächst um Verzeihung für die anhaltend negativen Berichte über sein Unternehmen. „Ich schäme mich dafür“, gab er zu. Heilmann stellte anschließend Neuerungen aus seinem Hause vor. Der neue Golf, der seit Februar erhältlich ist, stelle einen „Generationswechsel“ dar – dank neuem Infotainmentsystem, das einem Tablet gleiche, neuen Motoren (1,5 TSI mit aktivem Zylindermanagement) sowie einer Risikoreduzierung durch Assistenzsysteme wie Stauassistent und City-Notbremsassistent. Zum Ende des Jahres findet laut Heilmann die Markteinführung des prüfungstauglichen SUVs T-Roc (2,0 Liter mit 190 PS) statt.
Der Volkswagen-Vertreter wies darauf hin, dass die Modelle Golf, Golf Sportsvan und Golf Variant ab Werk mit Fahrschul- und Fahrhilfenausstattung erhältlich sind. Voraussetzung sei das DSG-Getriebe. Das Servicepaket Wartung und Verschleiß gebe es ab 9,90 Euro pro Monat. „Wir hoffen auf ruhigere Fahrwasser“, sagte Heilmann zum Abschluss seines Vortrags.
Andreas Anft gab einen Einblick in das abgelaufene Geschäftsjahr der Fahrlehrerversicherung, die 2017 ihr 65. Jubiläum feiert. Er beobachte – zeitversetzt – eine ähnliche Entwicklung wie in den Verbänden: Erstmals seit vielen Jahren sei die Zahl der Kunden um ein Prozent auf 78.800 Kunden zurückgegangen. Das seien 800 weniger als im Vorjahr. Der Vertragsstand sei aber der gleiche, das heiße: "Die Fahrzeugbestände werden wohl im Bereich der Berufskraftfahrerausbildung ausgeweitet", stellte Anft fest. Insgesamt würden sich die Beitragseinnahmen auf 65,7 Millionen Euro belaufen, 47 Millionen seien ausbezahlt worden und sind für Schäden aufzuwenden.
"Wir sind von großen Naturereignis-Schäden verschont geblieben", sagte der Vorstandsvorsitzende. Dennoch habe es im vergangenen Jahr merklich höhere Schäden im Bereich Motorrad gegeben, was auf "überdurchschnittlich viele, schwerwiegende Personenschäden" zurückzuführen sei. Etwa ein Prozent der Einnahmen bleibe nach Abzug aller Kosten übrig und gehe über ins Eigenkapital des Unternehmens. Zum Schluss seines Berichts wagte Anft noch einen Blick in die Zukunft der Mobilität: Er schätze, es dauere noch "drei bis vier Jahrzehnte", ehe zehn Prozent aller Fahrzeuge in Deutschland voll autonom fahren. Die Fahrlehrerversicherung sei aber "schon aufgestellt".
57 Überwachungen im Jahr 2016
Im Anschluss war der Landesbetrieb Verkehr an der Reihe. Michael Posch, der Leiter der Führerscheinstelle, berichtete, dass es rund 22.000 Ersterteilungen 2016 gegeben habe. Am öftesten hätten die 17- bis 19-jährigen Hamburger Erstanträge gestellt, aber nur in 59 Prozent sei es auch zu einer Aushändigung der Fahrerlaubnisse gekommen.
169 Fahrschulen gebe es derzeit im Hamburg – dies sei ein Rückgang um 11 Prozent. Im Jahr 2016 seien 137 Fahrlehrerprüfungen absolviert worden, was eine Steigerung in den vergangenen drei Jahren bedeute. Insgesamt aber stagniere die Anzahl der Fahrlehrer. Posch kündigte außerdem die Einführung einer neuen Schnittstelle zur Fahrschulsoftware des Verlags Heinrich Vogel an. Die sei erfolgreich getestet worden und starte im März.
Rainer Callsen ist der einzige Fahrschulüberwacher in Hamburg. Er hatte von 57 Formalüberwachungen zu berichten. Bei 27 Fahrschulen wurde nichts beanstandet, bei den anderen seien Tages- oder Ausbildungspläne fehlerhaft oder Lehrmittel veraltet gewesen. Außerdem hätten Beleuchtungsfahrten zu früh am Tag stattgefunden.
Freiwillige Sterbekasse existiert weiter
Am 19. Januar hat eine außerordentliche Mitgliederversammlung beschlossen, die – in den vergangenen Jahren heiß diskutierte – freiwillige Sterbekasse nicht aufzulösen. Im Vorjahr stand dagegen noch der Plan „Sterbekasse für alle Verbandsmitglieder“ zur Debatte. Dieser habe sich aber satzungsrechtlich nicht umsetzen lassen, berichtete Michael Witt, der zweite stellvertretende Vorsitzende. Witt rief alle Mitglieder auf beizutreten.
In ihrem Geschäftsbericht danke Sabine Darjus zunächst ihren Vorstandskollegen Holger Breu und Michael Witt für die gute Zusammenarbeit. Sie stellte die neuen Bezirksleitungen in vier von fünf Hamburger Bezirken vor und erinnerte daran, dass auch dort wichtige Arbeit geleistet werde. „Beteiligt euch an der Verbandsarbeit, damit wir für euch aktiv werden können“, appellierte Darjus.
Die Vorsitzende präsentierte dann einige Aktivitäten des Fahrlehrerverbands: So seien 2016 die Arbeitskreise Pkw und Zweirad aktiv tätig geworden, die Beauftragten sind beratend und unterstützend unterwegs gewesen. Es habe eine Schülerbefragung gegeben, für die im Arbeitskreis Pkw ein Fragebogen entwickelt worden sei. Thema der Umfrage: verkehrsrechtliche Vorkenntnisse der Fahrerlaubnis-Bewerber. „Die Antworten waren teilweise haarsträubend“, sagte Darjus. Die Hälfte der Befragten einer Klasse habe zum Beispiel nicht gewusst, was Vorfahrt sei. Beim Schild „Kreuzung oder Einmündung mit Vorfahrt von rechts“ habe gänzlich Ahnungslosigkeit geherrscht. Darjus‘ Fazit: „Es geht nicht, die Verkehrserziehung nach der vierten Klasse einzustellen.“
TÜV muss sich messen lassen
Der Vorstand des Fahrlehrerverbands Hamburg wurde im Anschluss einstimmig entlastet. Holger Breu und Michael Witt wurden in ihren Ämtern als erster und zweiter Stellvertreter bestätigt. „Wir haben einen Marathontag hinter uns“, sagte Sabine Darjus zum Abschluss und kam noch einmal auf den TÜV Hanse zu sprechen: Dieser habe Versprechungen gegeben, „an denen wir ihn messen werden.“
(tc)