Sexualisierte Gewalt, weit überwiegend an Frauen ausgeübt und meist in Verbindung mit Machtmissbrauch, ist kein neues Thema. Allerdings hat die vor sechs Jahren durch den Hollywood-Mogul Harvey Weinstein ausgelöste #MeToo-Bewegung auch in Deutschland ein neues Bewusstsein in puncto Missbrauch geschaffen. #MeToo, ein Hashtag, unter dem Frauen ihre persönlichen Geschichten von sexuellem Missbrauch und Machtmissbrauch offenlegen, hat überdies gezeigt, dass sexuelle Übergriffe überall stattfinden können. Dabei geht es bei #MeToo nicht um Einzelfälle, sondern um ein System von Machtmissbrauch und Abhängigkeiten, das angesichts stereotyper Männer- und Frauenbilder noch immer funktioniert.
Jüngst hat Jan Böhmermann in seinem ZDF Magazin Royale die Fahrschulbranche und sexuelle Übergriffe durch Fahrlehrer ins Kreuzfeuer genommen. Auch wenn es keine belastbaren Zahlen gibt – für die Vorstandsmitglieder des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg, Jennifer Spazier, Jochen Klima und Ralf Nicolai, steht unisono fest: „Jeder einzelne Fall ist einer zu viel. Es gilt null Toleranz gegenüber Fahrschulinhabern oder Fahrlehrern, die ihre Schülerinnen und Schüler in Worten und Taten sexuell belästigen!“
Zwar stellt der Verband klar, dass die überwiegende Mehrheit der Fahrlehrerbranche auch in Baden-Württemberg seriös arbeitet und ihren Schülerinnen und Schülern mit Empathie, Anstand und kundenorientiertem Verhalten begegnet. Gleichwohl räumt er ein, dass es schwarze Schafe gibt. „Von diesen“, so die Vorstandsmitglieder weiter, „distanzieren wir uns jedoch ausdrücklich“.
Arbeits- und berufsrechtliche Konsequenzen
Im Sinne von Klarheit und Wahrheit empfiehlt der Fahrlehrerverband Baden-Württemberg seinen Mitgliedern, bereits bei Erstgesprächen mit potenziellen Mitarbeitenden stets auf das Thema sexuelle Belästigung von Fahrschülerinnen und Fahrschülern sowie auf die damit verbundenen arbeits- und berufsrechtlichen Konsequenzen hinzuweisen.
Zudem fordert der Verband von seinen Mitgliedern, Fahrschülerinnen und Fahrschüler bereits beim Abschluss des Ausbildungsvertrages auf eine institutionalisierte Beschwerdemöglichkeit in der jeweiligen Fahrschule hinzuweisen.
Mit Nachdruck appelliert der Verband zudem an alle von sexueller Belästigung betroffenen Fahrschülerinnen und Fahrschüler, derartige Verhaltensweisen nicht schweigend zu erdulden, sondern umgehend die Polizei oder die zuständige Fahrerlaubnisbehörde (Führerscheinstelle) einzuschalten. Auch sollten Betroffene sich unbedingt auf der Website des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (Hilfetelefon – Gewalt gegen Frauen, www.hilfetelefon.de, mit der Hotline 08000 116 016) Hilfe und Beratung holen.
Couragiert und engagiert gegen das Vorurteil des „rollenden Angstraums“
Nur wenn die Fahrschulbranche künftig mehr denn je couragiert und engagiert gegen jegliche übergriffige sexualisierte Formulierungen und Taten vorgehe, könne der Berufsstand der Fahrlehrer vor einer weiteren Verunglimpfung geschützt werden, so der Vorstand übereinstimmend. Schließlich bleibe es Fakt, dass beim Fahrschulunterricht zwei Personen in einem Auto sitzen, ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Fahrlehrer und ihren Schülerinnen bzw. Schülern bestehe und die ungleiche Machtverteilung ausgenützt werden könne.
Nur durch eine konsequente Grenzziehung gegenüber sexualisiertem Verhalten Einzelner werde es gelingen, bestehende Ressentiments gegenüber der Fahrschulbranche abzuschmettern. Auch könne nur über diesen Weg vehement gegen stereotype Vorurteile wie dem von Jan Böhmermann zitierten „rollenden Angstraum“ als Metapher für das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Fahrlehrer und Schülerinnen und Schülern vorgegangen werden. „Unsere Devise heißt: genau hinschauen und prompt eingreifen, statt wegschauen und bagatellisieren. Sexuelle Übergriffe auch nur eines einzigen Fahrlehrers oder einer Fahrlehrerin sind und bleiben ein „No-go“, resümiert der Vorstand des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg einstimmig.
FAHRLEHRERVERBAND BADEN-WÜRTTEMBERG E.V.
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