Harry Bittner ist seit knapp einem halben Jahr Vorsitzender des Thüringer Fahrlehrerverbandes. „Ich stand da natürlich vor einer Riesen-Aufgabe. Die begann erst mal damit, dass man überhaupt wieder arbeitsfähig werden musste“, erklärte Bittner zum Auftakt der Mitgliederversammlung in Weimar. Das Verbandsbüro musste eingerichtet und der Kontakt zur Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände hergestellt werden. „Ich hoffe, dass man einige Ergebnisse auch schon sieht.“ Er dankte vor allem Agenturleiterin Roswitha Sanno und Werner Hildebrandt, die beide tatkräftig mitgeholfen hätten. „Ohne deren Hilfe hätte ich das nicht geschafft.“ Werner Hildebrandt sei einmal pro Woche ins Büro gefahren, um dort aufzuräumen. „Das wäre sonst eine Jahresaufgabe für uns geworden.“ Sein Dank galt aber auch seinem Vorgänger Gerd-Rüdiger Brandes, der nicht anwesend war. „Es ist nicht alles schlecht gewesen“, versicherte Bittner.
Ungereimtheiten
Allerdings gibt es keine Kommunikation zwischen dem ehemaligen Vorsitzenden und seinem Nachfolger, und so gestaltete sich nicht nur die Übernahme des Büros als schwierig. Da habe es einige Ungereimtheiten gegeben, dennoch sei noch ein Plus in der Kasse vorhanden, um die anstehenden Aufgaben bewältigen zu können. Bittner bemängelte allerdings die fehlende Zahlungsmoral einiger Mitglieder, denn es fehlten über 10.000 Euro an Mitgliedsbeiträgen. „Das finde ich ehrlich gesagt ein bisschen traurig“, sagte Bittner. Hier möchte der neue Vorstand aktiv werden und die Aufforderung zur Zahlung forcieren. „Dann soll der Kollege die Entscheidung treffen, entweder er tritt aus, oder er zahlt den Mitgliedsbeitrag. Alles andere belastet uns.“
„Die Unterlagen für das erste Quartal fehlen und Kontoauszüge sind noch nicht vollständig vorhanden, teilte Kassenprüfer Frank Strömel mit. Der neue Vorstand sei erst seit dem 7. November 2015 im Amt, konnte aber erst seit dem 7. Januar 2016 selbst die Kontoauszüge abholen. „Aufgrund der fehlenden Unterlagen können wir dem alten Vorstand keine Entlastung erteilen. Es entsteht der Eindruck, dass es zu keiner vernünftigen Übergabe der Finanzen gekommen ist“, erklärte Strömel. Man müsse den Druck auf die Vorgänger erhöhen, damit diese die Belege beibringen. Bedingt durch die nicht korrekte Übergabe konnte auch der neue Vorstand nicht entlastet werden. Die Versammlung beauftragte Harry Bittner damit, die fehlenden Unterlagen mit Nachdruck anzufordern, um einen klaren Überblick zu bekommen. Erst dann könne Entlastung erteilt werden.
Neuer Internetauftrit und gute Zusammenarbeit mit der BVF
In seiner noch recht kurzen Amtszeit war der neue Vorstand aber schon sehr aktiv. „Wir haben uns ganz viel Mühe gegeben, den Internetauftritt zu gestalten. Da haben wir viel Zeit investiert“, sagte Bittner. Hier gebe es auch einen Login-Bereich für Mitglieder, um hier einen kleinen Vorteil zu schaffen. Über diese Seite soll nun auch die Kommunikation laufen.
Positiv sei auch die Zusammenarbeit mit der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände verlaufen. „Mein Dank an die Bundesvereinigung, denn wir sind dort sehr zuvorkommend, höflich und auch informativ aufgenommen worden. Man hat uns nichts verheimlicht“, freute sich Bittner. Es habe sehr konstruktive Gespräche gegeben. Das gelte auch für die Ministerien, die es positiv beurteilt hätten, dass sich wieder etwas bewege.
Die Zahl der Mitglieder ist ein wenig gesunken, denn es gab seit dem 1. November 2015 insgesamt 22 Austritte, aber dafür auch acht Eintritte. „Wir brauchen jedes Mitglied, denn jedes Mitglied stärkt uns.“ Satzungsbedingt musste der erste stellvertretende Vorsitzende gewählt werden, und Roberto Storch, ebenfalls seit dem 7. November im Einsatz, wurde wiedergewählt.
Gerhard von Bressensdorf, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, lobte abschließend den Einsatz des Vorstandes. „Es ist ein Neuanfang, und es ist wichtig, dass sich der Berufsstand nicht aufsplittet.“
Am Vormittag hatte Staatssekretär Dr. Klaus Sühl den Dank des Ministeriums für die gute Zusammenarbeit überbracht. „Die Reform des Fahrlehrerrechts nimmt Fahrt auf. Wir rechnen damit, dass zeitnah die Anhörung erfolgt“, berichtete Sühl. Er nannte einige der Eckpunkte der Reform, wie den Wegfall der Fahrerlaubnisse A und CE als Zugangsvoraussetzung für den Fahrlehrerberuf. „Ich weiß, dass es hier seitens der Fahrlehrerverbände durchaus unterschiedliche Vorstellungen gibt, die dem Bundesministerium auch angetragen wurden. Ich bin guter Dinge, dass die Reform so zu Ende geführt wird, dass alle mit dem Ergebnis leben können.“ Die Reform solle einen positiven Einfluss auf die Verkehrssicherheit haben.
Sühl ging auf die aktuelle Verkehrssituation in Thüringen ein. Die Zahl der Verkehrstoten habe sich kontinuierlich verringert und liege für das Jahr 2015 bei 115. Damit sei zwar die Vision „Zero“ nicht erreicht, aber man sei ihr näher gekommen. „Unsere Straßen sind sicher und müssen noch sicherer werden.“ Dabei wies er darauf hin, dass sich die Rahmenbedingungen ändern, denn der Verkehr würde weiter zunehmen, aber die Verkehrsteilnehmer würden immer älter. „Senioren und Fahranfänger verursachen die meisten Unfälle.“ Nach wie vor sei überhöhte Geschwindigkeit Unfallursache Nummer eins.
AM15: Bundesweite Einführung geplant
Positiv sei das Modellprojekt AM15 bislang verlaufen, an dem 13.500 Jugendliche teilgenommen haben. Die Unfallrate sei sehr gering, und darum plane man eine bundesweite Einführung. Die Fahrlehrer quittierten dies mit Beifall.
Gerhard von Bressensdorf dankte Staatsekretär Sühl für die Bereitschaft, AM15 in Thüringen einzuführen. Denn anfangs habe es einen Sturm der Entrüstung gegeben, dass man 15-Jährige aufs Motorrad lassen wollte. „Nur mit praktischer Ausbildung und Prüfungen geht das, und das haben wir in Deutschland gemacht, und da kann der Erfolg nicht ausbleiben. Ich war davon überzeugt, dass unsere Arbeit Wirkung zeigt.“ Von Bressensdorf hofft darauf, dass von Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt eine Signalwirkung für ganz Deutschland ausgehe.
Die hohe Weiterbildungsbereitschaft der Fahrlehrer begeistert den Bundesvorsitzenden. „Nennen Sie mir einen Berufsstand, der sagt, wir wollen noch mehr Qualifikation haben. Das ist eine Ausnahme, und ich bin stolz auf Euch!“
Reform: So etwas "noch nie erlebt"
Seit 21 Jahren ist von Bressensdorf Vorsitzender der Bundesvereinigung. „Es macht mir Spaß“, versicherte er. „Aber ich habe noch nie erlebt, dass bei einem Gesetzesvorhaben wie dieser Reform der Berufsstand so wenig eingebunden war wie bisher.“ Er kenne nur Überschriften und keine Inhalte. „So lange ich keine Inhalte kenne, kann ich nicht ja sagen.“ Darum befürchtet er, dass die Freigabe der Kooperations- und Gemeinschaftsfahrschulen sowie der Wegfall der Beschränkung der Zweigstellen zu einer Filialisierung führen könnte. „Ich will keine Aldi-Fahrschulen, VW-Fahrschulen oder Audi-Fahrschulen. Fahrschule ist auch eine Persönlichkeitsausbildung.“ Darum sei es wichtig, junge Leute für den Fahrlehrerberuf zu begeistern.
Die geplante Entbürokratisierung begrüßt Gerhard von Bressensdorf, allerdings nur mit Augenmaß. „Mit dem Tagesnachweis hat man uns gegängelt“, ärgerte er sich. Doch letztlich wisse man gar nicht, was da nun genau passiert. „Wenn ich das wüsste, dann würde ich ganz aktiv mitgestalten können. Ich habe im Laufe der Jahre eins gelernt: Fordere nur Dinge, die Du auch kontrollieren kannst.“
Von Bressensdorf kritisierte, dass in der Planung der Reform überhaupt nicht über Fahrerassistenzsysteme, automatisiertes und autonomes Fahren nachgedacht worden sei. „Die Fahrlehrer, die ich morgen ausbilde, die müssen doch vorbereitet sein“, forderte von Bressensdorf. Die Reform dürfe am Ende nicht ein „Reförmchen“ werden, denn die Fahrlehrer müssten damit die nächsten zehn bis 15 Jahre leben.
Die Verlängerung der Ausbildung für Fahrlehrer sei zwar richtig, aber viel zu wenig. „Diese Ausbildung ist ganze 14 Tage länger vor der ersten entscheidenden Berufsprüfung, das ist nicht sachgerecht“, bemängelte der Bundesvorsitzende. „Wir bitten um mehr Ausbildung. Wir müssen doch sehen, dass die Anforderungen stetig wachsen. Wenn wir die technischen Fortschritte nicht verstehen, sind wir hinterher die Deppen der Nation. 14 bis 16 Monate sollte die Ausbildung schon dauern.“
Der Ausbildungsnachweis soll laut Planung entfallen, dagegen wehrt sich von Bressensdorf. „Die Zugangsvoraussetzungen A1 und C oder A1 und D müssen bleiben, das haben uns Tausende Fahrlehrer ins Gebetbuch geschrieben. Wer einmal selbst auf dem Motorrad erlebt hat, dass ein entgegenkommender Pkw links abbiegt und einem die Vorfahrt schnippelt, dem ist nicht nur das Herz in die Hose gerutscht, sondern der hat erlebt, dass es messerscharf an einem schweren Unfall vorbeigegangen ist.“
Spagat zwischen "Seifenkiste" und hochtechnisiertem Fahrzeug
Die Aufgabe für die Zukunft sei es, in der Ausbildung den Spagat zwischen der „Seifenkiste“ und dem hochtechnisierten Fahrzeug zu schaffen. Zum einen müssen die Fahrassistenzsysteme bedient werden können, zum anderen sollte auch der Schaltwagen beherrscht werden. „Wir wollen, dass die Verkehrssicherheit weiter gesteigert wird und dass die Zahl der Schwerverletzten und Getöteten signifikant abnimmt. Wir sind auf dem richtigen Weg.“
Dr. Gudrun Lukin von der Landesverkehrswacht dankte im Namen der 25 Verkehrswachten für den Einsatz der Fahrlehrer. „BF17 ist ein großer Erfolg“, freute sie sich und regte an, auch mal bei den 18-Jährigen zu schauen. Die Zahl der Verkehrstoten sei zwar gesunken, aber die Zahl der Unfälle mit Schwerverletzten nehme zu.
Neuigkeiten aus dem Prüfgeschehen überbrachte Dr. Andreas Schmidt vom Dekra. Er attestierte einen Anstieg der theoretischen und praktischen Prüfungen, vor allem beim Führerschein AM gebe es eine deutliche Steigerung um 18,7 Prozent. Gerade im ländlichen Raum sorge AM15 für mehr Mobilität.
Die neuesten Modelle von Audi stellte Audi-Fahrschulspezialist Bernd Nentwig vor, der dabei auch die Fahrassistenzsysteme kurz erläuterte.
Rolf Schrade, Vorstandsmitglied der Fahrlehrerversicherung, berichtete über die aktuellen Zahlen des berufsständischen Versicherers und freute sich über die durchweg positive Beurteilung durch die Kunden, die kürzlich befragt worden seien. „Es gab aber auch ein paar kritische Anstöße, die wir uns zu Herzen nehmen.“
Detlef Szallies von der BG Verkehr berichtete den Fahrlehrern über die aktuelle Situation in Sachen Arbeitsschutz in den Fahrschulen. „Arbeitsschutz ist Gesundheitsschutz“, sagte Szallies. Man unterscheide zwischen innerbetrieblichem und überbetrieblichem Arbeitsschutz, und die Mitarbeiter hätten ein Recht auf den Arbeitsschutz. „Arbeitsunfälle sind grundsätzlich zu dokumentieren“, erklärte Szallies. Wichtig seien dabei auch die arbeitsmedizinische Vorsorge sowie das Tragen von Schutzkleidung, speziell beim Motorradfahren. „Nutz die Berufsgenossenschaft“, forderte Detlef Szallies die Fahrlehrerschaft auf.
(Ulrich Lieber)