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Politik erteilt Absage

27.06.2016 13:30 Uhr
Seit 40 Jahren ist Peter Glowalla Vorsitzender des Fahrlehrer-Verbands Berlin. Dafür bekam er von allen Seiten Glückwünsche bei der Mitgliederversammlung
© Foto: Jessica Gsell

Bei der diesjährigen Mitgliederversammlung des Fahrlehrer-Verbands Berlin wurde Vorsitzender Peter Glowalla für seine 40-jährige Tätigkeit geehrt. Doch es gab nicht nur Grund zum Feiern: Denn nur einen Tag zuvor gab es eine Absage aus dem Bundesverkehrsministerium.

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Langes, wuscheliges Haar und tatendurstiger Blick: So beschreibt Reinhard Kendziora den Vorsitzenden Peter Glowalla, als dieser 1976 das erste Mal für den Posten des Vorstands kandidierte. In diesem Jahr ist er bereits 40 Jahre als solcher erfolgreich im Fahrlehrer-Verband Berlin tätig. Und das, obwohl ein Mitglied damals vor versammelter Mannschaft gefragt haben soll: „Habt ihr keinen Besseren?“ Bei der Mitgliederversammlung zeigte sich Glowalla sichtlich gerührt, denn mit der Rede des 1. stellvertretenden Vorsitzenden im Namen des gesamten Vorstands hatte er nicht gerechnet. „Der Berliner Fahrlehrer-Verband wurde seine Lebensaufgabe“, sagte Kendziora und gab einen Überblick über das von Glowalla in den vergangenen 40 Jahren Geleistete. So blieb es durch sein Wirken hin nach der Wende bei einem einzigen gesamten Fahrlehrerverband für Berlin. Aufgrund seines Gespürs für aktuelle Themen rief er außerdem immer wieder Arbeitskreise ins Leben – so auch den Arbeitskreis Zukunft – der bis dato eine absolute Vorreiterrolle einnahm. Am Ende gaben seine Verbandsmitglieder Glowalla zu verstehen, dass sie sich ihn noch lange in ihren Reihen wünschen. Schließlich gebe es für den Verband weiterhin viel zu tun.

Diese Ansicht teilte auch Andreas Geisel von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. Schließlich sei das Wachstum der Stadt unmittelbar auf den Berliner Straßen zu erleben. 240.000 Menschen zogen in den vergangenen fünf Jahren in die Bundeshauptstadt. Laut Prognose werde Berlin in den kommenden zehn Jahren die Vier-Millionen-Grenze erreichen. Beim Blick auf die Statistik stellte Geisel dann aber fest, dass das Wachstum der vergangenen Jahre nicht über den Automobilverkehr stattgefunden hat. Die Anzahl der Fahrzeuge in absoluten Zahlen sei zwar gestiegen, relativ gesehen sei der Autoverkehr aber auf rund 29 Prozent gesunken. Gründe dafür sieht Geisel im guten Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Zunahme an Radfahrern. Dadurch nimmt aber auch die Auseinandersetzung verschiedenster Mobilitätsformen um den öffentlichen Raum zu. Die Bewältigung der Mobilität sei deshalb eine große Herausforderung für die Fahrlehrer. Denn es gehe in ihrer Arbeit unter anderem darum, Werte wie Umsicht und Rücksicht zu vermitteln. „Fahrlehrer leisten dabei durchaus persönlichkeitsprägende Bildungsarbeit“, sagte Geisel. Deshalb sei der Erhalt der beruflichen Qualität von Fahrlehrern so wichtig. Er rief den Berufsstand dazu auf, sich selbstbewusst in den Dialog zur Reform des Fahrlehrerrechts einzubringen.

Reform: Termin für erste Anhörung geplatzt

„Das machen wir bereits jahrelang“, gab der 2. stellvertretende Vorsitzende der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, Dieter Quentin, gleich darauf als Antwort. Ein großes Problem sei allerdings, dass keiner so genau wisse, vorüber eigentlich gesprochen werde. Denn bislang sei das Eckpunkte-Papier das einzig Greifbare. „So richtig über ein Papier, ein geschriebenes Wort, so wie es aussehen könnte, zu diskutieren und zu sprechen – diese Gelegenheit haben wir gar nicht“, bemängelte Quentin und hatte für die Anwesenden gleich die nächste schlechte Nachricht im Gepäck: Genau einen Tag vor der Mitgliederversammlung gab es eine Absage aus dem Bundesverkehrsministerium für die am 20. Juni geplante erste Anhörung. „Verkehrssicherheit ist offensichtlich nicht das richtige Thema“, stellte der 2. stellvertretende  Vorsitzende fest. Zudem befürchtete Quentin, dass die Reform längst wieder veraltet ist, wenn sie tatsächlich im kommenden Jahr noch verwirklicht werden sollte – „rechts und links überholt von Themen der Technik, Automatisierung und Digitalisierung“.

Etwas positiver gestimmt zeigte sich Andreas Röse, Leiter der Technischen Prüfstelle des TÜV Rheinland. Insgesamt verzeichnete der TÜV 2015 in Berlin mehr theoretische sowie praktische Prüfungen als im Jahr zuvor. In der Praxis blieb die Nichtbestehens-Quote nahezu konstant. Anders sehe es da bei der Theorie aus. In der reinen Klasse B beispielsweise fielen 34 Prozent durch die Prüfung. „Ich glaube, das Problem haben alle, die in irgendeiner Form pädagogisch tätig sind. Die Leidenschaft, sich mit theoretischen Stoffen auseinanderzusetzen, scheint in der Jugend immer ein wenig mehr zurückzugehen“, wagte Röse einen Erklärungsversuch. Im Vergleich zu anderen rein urbanen Gebieten, stünde Berlin mit seiner Quote allerdings noch gut da.

Anstieg der Betrugsversuche bei den Prüfungen

Daraufhin stellte Helmut Enk, Landesstellenleiter des Dekra EV Dresden, seine Zahlen vor. Knapp 42.000 theoretische und etwa 34.500 praktische Prüfungen wurden im vergangenen Jahr in Berlin abgelegt. Bei der Theorie sei dies ein Plus von 2,5 Prozent, bei der Praxis dagegen ein Minus von 3,8 Prozent. Den Grund für die rückläufigen Zahlen sieht Enk bei der Führerscheinprüfstelle. Dort sei es 2015 zum Verzug beim Ausstellen von Prüfaufträgen gekommen. In Gesamtberlin liege die Erfolgsquote aller Fahrerlaubnisklassen in Theorie und Praxis bei durchschnittlich 65 Prozent. Wegen der steigenden Betrugsversuche zweifelte Enk allerdings an der Authentizität der Zahlen. 2015 gab es 55 festgestellte Betrugsversuche, zehn Prozent mehr als 2014.

Ein großes Dankeschön sprach Matthias Lorenz, Bezirksleiter der Sonderzielgruppen des Hauptausstellers Volkswagen, den Fahrlehrern aus. Denn sie seien mit ihren Fahrschulautos die wichtigsten Vermittler, besonders für das „Herzstück“ von VW – dem Golf. Lorenz ging auch auf die Fahrassistenzsysteme ein: Sie hielten immer mehr Einzug auch in die mittleren und unteren Fahrzeugklassen und seien damit für die breite Masse verfügbar. „Der Umgang mit diesen Systemen will geübt sein“, sagte er. VW denke hierbei über eine mögliche Kooperation mit den Fahrlehrern nach, indem sie Kunden, die sich das erste Mal einen Wagen mit Fahrassistenzsystemen  zulegen, in die Fahrschule zu einer Fahrassistenzschulung schicken.

Verbandsarbeit trägt erste Früchte

Im internen Teil am Nachmittag bedankte sich Glowalla zunächst für die endlich auch einmal kritischen Worte seiner Vorredner, bevor er sich den wichtigsten Zahlen des Verbands widmete. Dieser besteht derzeit aus 401 Mitgliedern (Stand: 4. Juni 2016). 16 neue Mitglieder sind im vergangenen Jahr dazu gekommen – mit einem Durchschnittsalter von 43 Jahren. „Ich halte es auch für ein Stückchen Erfolg der ganzen Modernisierung der Verbandsarbeit, weil wir auch junge Leute begeistern, an Projekten zu arbeiten, die sie selbst betreffen. Ich glaube, dass diese Arbeit ihre ersten Früchte trägt“, sagte Glowalla. Doch noch gebe es einen Knackpunkt: „Das Betrübliche ist, dass die Abgänge bei weitem noch die Zugänge übersteigen.“ 47 Mitglieder schieden 2015 aus dem Verband aus. Doch bereits jetzt werde einiges für die Akquirierung neuer Vereinsmitglieder getan. So besuchen Glowalla und Kendziora regelmäßig Ausbildungsstätten, um dort die angehenden Fahrlehrer zu begrüßen und mit den jungen Menschen über den Berufsstand zu diskutieren.

Auch die Zahl der Fahrschul-Ladenlokale sank 2015 auf 524 – 2010 waren es noch 566. Außerdem komme es immer öfters bei Fahrschulinhabern ab 55 Jahren vor, dass sie ihr Unternehmen, biete sich eine finanzielle Chance, verkaufen. Und das oftmals an einen Mitarbeiter. Anschließend werden die Rollen getauscht: Der Mitarbeiter wird zum Chef und umgekehrt. Einen starken Anstieg von 20 Prozent gab es bei der Anzahl der Prüfungen (2015: 45.906). Deshalb sei es kein Wunder, dass Stellenanzeigen geschaltet würden, sagte Glowalla. „Wir haben einen Mangel an Fahrlehrern, wenn die Technik des automatisierten Fahrens nicht doch noch die Proportionen verschiebt“, stellte der Vorsitzende fest.

Denkschmiede: Arbeitskreis Zukunft

Im nachfolgenden Bericht zeigte sich dann ganz konkret das große Arbeitspensum des Berliner Fahrlehrer-Verbands: Elf Fortbildungsveranstaltungen mit dem Schwerpunkt Zukunft wurden ausgerichtet. Und auch die drei bestehenden Arbeitskreise Zukunft, Motorrad  und Nutzfahrzeuge waren sehr aktiv im vergangenen Jahr. „Der neu gegründete Arbeitskreis Zukunft hat sich zu einer richtigen Denkschmiede entwickelt. Die jungen Leute, die da drin sind, haben schon gemerkt, dass es hier um etwas geht, das sie ganz hautnah betrifft“, freute sich der Vorsitzende. Zwar gebe es keine endgültigen Lösungen, aber es werden Ergebnisse gesammelt und auswertet. Eine Idee in Bezug auf Assistenzsysteme sei bereits von der Bundesvereinigung ein Stück mitgetragen worden. „Prüfer und Assistenzsysteme passen nicht zusammen“, erklärte Glowalla. Deshalb habe der Arbeitskreis die Idee entwickelt, Prüfungsfahrzeuge mit bis zu sieben Assistenzsystemen auszustatten. Kraft Prüfungsrichtlinie soll der Prüfer dann gezwungen werden, bis zu drei dieser Systeme in der Prüfung auszuwählen. „Dann müssen wir anfangen, uns damit zu befassen“, richtete Glowalla seinen Appell an die Fahrlehrer.

2015 fand zudem zum ersten Mal ein Verkehrssicherheitstag statt. Ein zweiter ist bereits in Planung. Dabei will sich der Verband verstärkt in den Bezirken engagieren. Glowalla sprach außerdem die bestehende Problematik bei der Motorradprüfung an. Für das Erlernen der Grundfahraufgaben schreibt die Prüfungsordnung den Einsatz von Leitkegeln vor. Die Straßenverkehrsordnung hingegen verbietet das. Ein beliebter Übungsplatz in Berlin war bisher der Platz des 4. Juli. Doch dieser soll nun zugebaut werden. Als Alternative habe man den Fahrlehrern den Parkplatz Dreilinden angeboten, den die Fahrlehrer in den kommenden Wochen austesten sollen. Der Haken dabei: Er liegt 20 km entfernt von Berlin. Zum Abschluss ging Glowalla noch einmal auf die Thematik der Fahrassistenzsysteme ein. „Fahrlehrer und Prüfer sind noch nicht komplett auf dem Stand“, stellte er fest. Dabei gehe man einer Zeit des Mischfahrens entgegen. Sein Fazit: „Technik lässt sich nicht verbieten, deshalb müssen wir ein Stück voraus denken.“

(jg)


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