So leicht ist der zwirbelbärtige Vorsitzende des Fahrlehrerverbands Nordrhein eigentlich nicht aus der Ruhe zu bringen. Aber die Reform des Fahrlehrerechts bringt Kurt Bartels in Rage – vor allem die Tatsache, dass die Fahrlehrerschaft nicht eingebunden worden ist.
„Alle hören auf uns, wenn es um unsere gemeinsamen Belange geht, aber der Gesetzgeber tritt unsere Meinung mit Füßen! Und er legt viele Dinge einfach so aus, wie er es gerade will.“ Bartels sprach Ministerialrat Dieter Kettenbach vom Landesverkehrsministerium bei der Jahreshauptversammlung des Fahrlehrerverbands Nordrhein direkt an. Kettenbach hatte zuvor ausführlich die Pläne zur Reform vorgestellt und musste nun stellvertretend die „Wutrede“ von Kurt Bartels über sich ergehen lassen.
Vertiefung braucht Zeit
Bartels sprach sich für die deutliche Verlängerung der Ausbildungszeit für Fahrlehrer auf 16 Monate aus, um die Inhalte tiefer zu verankern. Dies sei vom Gesetzgeber abgelehnt worden, weil es keine wissenschaftliche Betrachtung dazu gebe. „Vertiefung, das dauert Zeit, und die wird uns nicht gegeben. Und dann wundern sich alle, wenn auf einmal die Prüfungsergebnisse so schlecht sind. Herr Kettenbach, nehmen Sie das bitte mit, es müssen nicht immer wissenschaftlich neue Inhalte geschaffen werden, es geht um das Vertiefen der ganzen Inhalte, die bei der Fahrlehrerausbildung wichtig sind“, mahnte Bartels eindringlich. Er fragte, wo denn die wissenschaftliche Begründung dafür sei, dass ein Fahrlehrer nicht den Führerschein für A und CE haben muss. „Die gibt es nicht!“ Das werde auf dem Altar der Kosten geopfert.
Bartels trieb aber noch eine andere große Sorge um: die vom Gesetzgeber forcierte Möglichkeit des Expandierens. „Kollegen, wer von Ihnen will expandieren?“, fragte er die zahlreich anwesenden Fahrlehrer im Kristallsaal des Messegeländes. Es war eher eine rhetorische Frage, denn Bartels beantwortete sie selbst: „Kein einziger!“ Die kleinen Betriebe seien das Gerüst der Fahrschulen. „Die wollen nicht expandieren, die wollen in einem vernünftigen Rahmen ihren Job machen.“ Die Fahrlehrer quittierten dies mit Beifall und unterstützten diese Aussage.
„Ich habe den Eindruck, der Gesetzgeber will McDrive. Aber Herr Kettenbach, glauben Sie wirklich, dass, wenn wir nur noch Großfahrschulen haben, die Qualität der Ausbildung besser wird?“, fragte Bartels. „Ich kann Sie nur bitten, schützen Sie die Struktur der Fahrschullandschaft.“ Diese habe sich seit vielen Jahrzehnten bewährt. Die Fahrlehrer hätten gute Kontakte zu den jungen Kunden, zu den Familien und natürlich auch zu den Prüforganisationen.
Der Bundes- und der Landesverband hätten immer das Machbare im Auge, vor allem das Machbare im Sinne der Verkehrssicherheit. Doch nun habe er das Gefühl, dass hier Klientelpolitik für Großfahrschulen gemacht werde. „Das kann und will ich nicht akzeptieren.“
Er sei als Demokrat erzogen und habe ein anderes Demokratieverständnis. Bartels zitierte Artikel 20 des Grundgesetzes. „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Herr Kettenbach, wir sind das Fahrlehrervolk. Ich kann Sie nur bitten, bei allem Respekt, nehmen Sie unsere Meinung ernst.“
Auch Peter Glowalla, 1. stellvertretender Vorsitzender des Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, ging auf die Reformpläne ein. „Ich habe auch gute Dinge gehört“, sagte er. Doch die reichten bei weitem nicht aus, denn neben einigen mehr oder weniger guten Kompromissen gebe es doch eine Vielzahl an Punkten, die von den Fahrlehrern abgelehnt würden.
"Schweigegelübde" bei der Reform
Vor allem bemängelte Glowalla, dass die Fahrlehrer nicht in die Reform eingebunden wurden. „Die Verwaltung hat sich ein Schweigegelübde aufgelegt. Sie hat gesagt, wir machen alles alleine, und wir lassen nichts nach draußen dringen, schon gar nicht zu dem bösen Berufsstand, der hat nämlich zwei Verbände, die könnten uns ja schwindelig reden. Was dabei rauskommt, haben wir heute gesehen. Ich sage es mit voller Überzeugung: Wenn es so kommt, dann wird es eine Katastrophe.“
Peter Glowalla sprach die Punkte konkret an. Der Wegfall des Lkw- und Motorradführerscheins als Zugangsvoraussetzung für den Beruf sei nicht nachvollziehbar und nur aus Kostengründen aufgeführt. „Kosten sparen ist ein mieser Grund. Unfälle, Tote und Schwerverletzte, nur um Kosten zu sparen.“ In Deutschland sei das Risiko, mit einem Motorrad tödlich zu verunglücken, 24 Mal höher als mit einem Pkw. Darum sei es wichtig, dass der Fahrlehrer die Schüler auch emotional erreiche.
Die Entschlackung der Bürokratie ist für Glowalla nicht erkennbar, im Gegenteil. „Alles, was an Bürokratie wegfällt, sind Peanuts.“ Aber es gebe neue Bürokratiekosten, die deutlich höher seien, und darum befürchte er, dass die Reform die Fahrlehrer viel Geld kosten wird. Peter Glowalla sprach sich auch gegen die pädagogische Überwachung der Fahrschulen aus.
Unausgegoren erscheinen Glowalla die Pläne zu den Kooperationsfahrschulen. „Ich bezweifle, dass im Moment auch nur die geringste Ahnung vorliegt, was dieses Konstrukt werden soll.“ Ein solches Gesetz könnten nur Leute initiieren, die Konzernfahrschulen wollten. Denn so würden Lebensmittelketten, Autoherstellern oder anderen Konzernen die Möglichkeit eröffnet, solche Fahrschulen ins Leben zu rufen. „Ich sage Ihnen eins, die Ein-Mann-Fahrschule, die Familienfahrschule, das ist das Rückgrat der deutschen Fahrschule. Die hängen sich mit ihrem ganzen Herzen rein.“
Zum Abschluss seines Vortrages ging Peter Glowalla auf das autonome und halbautonome Fahren ein und warnte davor, es auf die leichte Schulter zu nehmen. „Wir müssen ganz viel tun. Lehrer sein heißt: zwei Mal lernen.“
„Wir hatten extrem viele Prüfungen“, berichte Arne Böhne, der für die TÜV Nord und Rheinland sprach. Er lobte die Fahrlehrer ausdrücklich: „Ihr Beitrag ist wesentlich, denn Sie verhalten sich partnerschaftlich und professionell. Die Probleme werden vor Ort gelöst, und das trägt zur Zufriedenheit bei.“ Insgesamt habe es 456.000 praktische Prüfungen gegeben. Die Nichtbestehensquote lag bei 25,8 Prozent. Der Anteil der BF17-Schüler bei 47,5 Prozent. „BF 17 sackt leicht ab, in den ländlichen Regionen wird es deutlich besser angenommen als in den Städten“, so Böhne.
"Führerscheinprüfungen werden nicht weniger"
Für die Zukunft sieht er gute Aussichten. „Die Führerscheinprüfungen werden nicht weniger, und ab dem 1. Oktober kommt Hocharabisch dazu.“ Bislang gebe es bereits elf Fremdsprachen, wobei das Gros auf Englisch, Russisch und Türkisch entfalle. „Kompetenz ist wichtig. Wir müssen uns auf die Zukunft vorbereiten, und dazu gehört auch das autonome Fahren.“
Kurt Bartels fasste sich in seinem Bericht über das abgelaufene Geschäftsjahr kurz. Die Zahl der Mitglieder ging ein wenig auf 1.437 zurück, und auch die Zahl der Fahrschulbetriebsstellen sinkt kontinuierlich. „Wir suchen händeringend junge Kollegen. Wenn jeder ein Mitglied werben könnte, wäre das hervorragend.“ Er ging auf die zahlreichen Termine - insgesamt 122 - ein, die er und seine Vorstandskollegen wahrgenommen haben. Das sei viel Arbeit gewesen, aber „es macht mir einen Riesenspaß“. Bartels kritisierte die Straßenverkehrsämter, die zum Teil sehr lange Bearbeitungszeiten hätten. „Das ist Wettbewerbsverzerrung in einigen Bereichen, die nicht mehr tragbar ist!“
Er erinnerte an die Motorradfortbildung in Hechlingen, bei der man der Frage nachgegangen sei, ob denn die Ausbildung auch ohne „Hütchen“ möglich sei. „Man muss nur anders gucken, dann geht es“, lautete sein Fazit. Das habe die BVF-Arbeitsgruppe dann auch in Köln erfolgreich getestet und ein Positionspapier entwickelt. „Die Übungen können im Realverkehr gefahren werden.“
Positiv sei auch der Workshop des Verbandes mit jungen Fahrlehrern gewesen. Eines der Ergebnisse sei, dass ein junger Kollege den Vorstand künftig als Ansprechpartner für die jungen Fahrlehrer unterstützen wird. „Wir versuchen auf diesem Wege, noch mehr mit den jungen Kollegen in Kontakt zu kommen“, sagte Bartels.
(Ulrich Lieber)