Dobbin-Linstow. Bereits ab 9 Uhr füllte sich der Seminarflügel des Van der Valk-Resorts – denn für Information und Austausch hatten zehn Firmen ihre Stände aufgebaut: Neben aktuellen Motorradangeboten aus dem Hause Honda und Kawasaki waren Dienstleister wie Geschäftspartner eingeladen worden, um die Fahrlehrerkunden zu beraten und ihre Angebotspalette zu präsentieren. Ein interessanter Zeitsprung im Bezug auf Fahrsimulation bot sich direkt neben dem Stand des Heinrich Vogel Verlags: Direkt neben deren aktuellem Fahrsimulator war ein „ELAN“ aufgebaut, der noch mit Teilen aus der Trabant-Fertigung zusammengebaut war und bis zur Wende genutzt wurde. Schon damit wurden Fahrfehler offengelegt, denn das Schulungsgerät für Fahrschüler war mit einer Filmleinwand kombiniert, auf welche die Aufzeichnung einer Straßenfahrt aus der Sicht des Autofahrers projiziert wurde. Lenkbewegungen, Gas geben und bremsen beeinflussten den Filmablauf, ebenso das Anfahren und damit die Übertragung des Schleifpunktes der Kupplung. Kombiniert wurde der Fahrtrainer mit einem Aufzeichnungsgerät ähnlich dem EKG. Am Stand daneben bot ein bunter Querschnitt aus Schnittmodellen, Schulungsunterlagen und sonstigen Fahrschulutensilien vielen Fahrlehrern einen Rückblick auf ihr „Werkzeug“ der letzten 30 Jahre und darüber hinaus.
Nach der herzlichen Begrüßung der Gäste, Redner und Mitglieder musste Landesverbandsvorsitzender Helmut Bode freilich als erstes kurz die aktuelle Lage erläutern – was zum Zeitpunkt der Versammlung geführt habe, denn eigentlich war das Event ja für den März angesetzt. Den fünfstelligen Betrag mit der zwei vornedran fürs Ausrichten hätte man, so Bode, tatsächlich in den Wind schreiben können, wenn das Van der Valk-Ressort nicht so entgegenkommend gewesen wäre und einer Verlegung zugestimmt hätte. Schließlich wäre dies ja keine „normale“ Mitgliederversammlung, sondern gleichzeitig ein runder Geburtstag: Im März 1990 fuhr eine siebenköpfige Fahrlehrerdelegation von Stralsund nach Kiel, und am 23. April wurde die Gründung des neuen Verbandes in MVP beschlossen.
Neues vom Ministerium
Als erste von fünf Gastrednern trat Elke Rattunde ans Podium und sprach „ganz oldschool“ ihre Rede ohne digitale Unterstützung. Die Ministerialreferentin für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung bedankte sich zuallererst für die wertvolle Arbeit der letzten 30 Jahre. „Durch die Anstöße aus der Praxis wurde so manche Änderungen auf den Weg gebracht“. Sie erklärte auch, worin die Hauptarbeit ihres Ministeriums seit dem Lockdown bestand: Ausnahmeregelungen aller Art zu treffen – sei es für Kfz-Zulassungen, Führerscheinumschreibungen, Fristenverschiebungen und -verlängerungen, kurz: für alle Dienstleistungen, die direkten Kontakt erforderten. „Die Pandemie hat uns zu Lernprozessen und zum Umdenken bewegt“. Für zusätzliche Verwirrung hätte im Juli die Bußgeldkatalogaffäre gesorgt, die, so erklärte die Rednerin, in Kürze mit einer überarbeiteten Verordnung wohl geradegerückt werde.
Zum Thema AM15 unterlaufe die derzeitige „Landesgrenzenregelung“ den Zweck, junge Leute mobil zu machen. Auch die aktuelle Initiative BF16 befürworte ihr Ministerium, wohl wissend, dass „längeres begleitendes Fahren mehr Sicherheit und weniger Unfallzahlen“ bedeute. Ein weiteres Dauerthema betreffe die Fahrlehrerausbildung, aber auch die Fahrassistenzsysteme, die bei Nutzfahrzeugen über 3,5 Tonnen ab 30 km/h am sinnvollsten nicht mehr ausschaltbar sein sollten beziehungsweise ein Sanktionieren bei manueller Abschaltung nötig mache. Bedienung und Wirkungsweise neuer Systeme bei Bus und Lkw müssten in der Fahrschule erklärt und gelehrt werden. Gefordert, so Rattunde, sei auch der Umstand, künftig auf elektrisch betriebenen Fahrzeugen auszubilden. Zum Abschluss forderte sie den Verband und seine Mitglieder nochmals explizit auf: Bitte einmischen, denn „wir sind für jede Anregung dankbar.“ Was Helmut Bode ad hoc unter Applaus auf den Plan brachte, ihr die ihm vorliegende wissenschaftliche Auswertung zum Thema „Online-oder Präsenzunterricht“ gleich vorzulegen.
2020: vielfältige Herausforderungen meistern
So umriss der Vorsitzende der Bundesvereinigung Dieter Quentin seine Präsentation. Er nahm Corona nicht explizit als Aufhänger für seine Ausführungen, sondern hob eher auf Dinge ab, die „uns vor Corona und noch immer beschäftigen. Ein paar neue Baustellen sind freilich dazugekommen“. Er hatte, wie er zugab, ganz andere Themen auf seinem Plan gehabt: Gesundheit und demografischer Wandel, der auch den Berufszweig Fahrlehrer stark betreffe – denn das derzeitige Durchschnittsalter der deutschen Fahrlehrer liegt bei 54 Jahren. Wichtige Themen seien auch saubere Energie, Klimaschutz und Umweltschutz. Was in diesem Zusammenhang auf alle zukommen könnte, seien infolge der Globalisierung die Zunahme an tropischen Krankheiten sowie mehr und mehr Umweltflüchtlinge. Für Fahrlehrer sei im besonderen „unser Platz im nachhaltigen Verkehr“ eines der Hauptthemen. „Wenn wir uns das alles auf der Zunge zergehen lassen, dann haben wir noch einige dicke Bretter in den nächsten Jahren zu bohren.“ Dazu sei wichtig, wie die Rolle der „Online-Theorie, dem sogenannten Blended Learning“ zu handhaben sei. Doch hierzu, so Quentin, gäbe es in den verschiedenen Bundesländern bislang unterschiedliche Resonanzen, was einen Flickenteppich von rechtlich geregelten Ausbildungskonzepten zu Folge haben könnte. So könne ein Standard bei der Ausbildungsqualität nicht gewährleistet werden. Kommunikationsdefizite seien vorprogrammiert, und es sei möglich dass je nach Konzept Schüler mit Lernschwächen, Sprachproblemen oder anderen Hemmnissen auf der Strecke bleiben. Andererseits biete die Digitalisierung ganz viele Möglichkeiten – einige, wie nachgeschaltete Lern-Apps und Lernstandsbeurteilungen, seien bereits bekannt und bewährt. Daher, so Quentin, „möchten wir die Digitalisierung vorantreiben, aber den Präsenzunterricht in keinster Weise abschaffen.“
Erinnern wollte er auch an die B196 Regelung („das war eine schwere Geburt“), deren Regelung und Durchführung anfangs fragwürdig gewesen sei, aber mit Überlegung und Optimismus verbessert wurde – eine komplette Ablehnung wäre keine Option gewesen, denn „politisch war dies nicht zu verhindern“. „Mittlerweile, so Quentin, sprächen manche Kollegen gar von einem „Erfolgsmodell“. Differenziert müsse man die künftige BKF Aus-und Weiterbildung betrachten. „Im aktuellen Gesetzesentwurf“, so Quentin, „steht nichts drin, weswegen es sich lohnt laut aufzuschreien. Aber man solle genau hinsehen. Etwa hinsichtlich künftiger ADR-Schulungen und anderer Schulungen, die auf die Schulungsverpflichtungen angerechnet werden sollen. Des Weiteren sollten wir gespannt sein, was die Verordnung betrifft. Da wird geregelt, was unsere Arbeit maßgeblich betrifft. Man werde auch ein KBA-geführtes Register bekommen, und jede Fahrschule werde sich neu anerkennen lassen müssen. Genauer ausführen und sensibilisieren wollte Quentin die Verbandsmitglieder – er erläuterte noch einmal einige Bereiche, die ziemlich sicher in die neue Verordnung aufgenommen werden.
Positive Zahlenentwicklungen: AM 15 und mehr
Einblick in neues, interessantes Zahlenmaterial gab es vom nächsten Redner: Thomas Rehe von der Dekra zeigte, dass im Bundesland den Löwenanteil der praktischen Prüfungen 2019 zwar mit 58,7 respektive 19,4 Prozent nach wie vor B18/BE 18 und BF/BEF 17-Prüfungen stellten. Die stärksten Zuwächse jedoch waren von AM/AM15 und den Busausbildungen zu verzeichnen: 13.218 Mopedfahrerlaubnisse sowie 1.986 Busführerscheine wurden im letzten Jahr zwischen der Ostseeküste und Brandenburg ausgestellt. Damit war die Personenbeförderung im nordöstlichsten Bundesland mit 32,2 Prozent Abweichung zu 2018 ganz klar der Favorit, auch die 50cm³-Klasse der Zweiräder konnten ein zweistelliges Plus vermelden. Erschreckend war leider ein gänzlich anderer Anstieg während der Theorieprüfung: So haben Täuschungsversuche zwischen 2013 und 2018 um das sechsfache zugenommen – 2019, so zeigte Rehe in einer Dekra-Grafik, lag der Anteil schwerwiegender Täuschungen der Theorieprüfungen bei 43 Prozent.
Überaus positive Resonanzen bescheinigte der Dekra-Niederlassungsleiter dem in der Presse oft skeptisch betrachteten AM 195-Vorstoß und die Einführung des AM ab 15 Jahren der Modellprojektländer Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und MVP seit Mai 2020: So wäre die Verkehrsteilnahme der 15-jährigen Mopedfahrer durch professionelle Ausbildung qualitativ besser geworden – allein in MVP wurden bis Oktober letzten Jahres rund 11.000 AM15-Prüfungen abgenommen. Im Anschluss daran ergriff Peter Pernat, der neue Audi-Repräsentant und Nachfolger von Bernd Nentwig das Wort, um zu versichern, dass die Fahrlehrer für den Ingolstädter Autohersteller noch immer eine wichtige Rolle spielen.
Interna und Wahl
Nach der Würdigung der Jubilare begann Helmut Bode mit dem Geschäftsbericht und den Aktivitäten des Verbandes: Es konnten 25 Neumitglieder begrüßt werden, elf Kollegen waren ausgeschieden, sechs davon hatten sich in den Ruhestand verabschiedet. Kaum Änderungen gab es bei der Mitgliederstruktur: Noch immer lag die Anzahl der Frauen bei 19 („da ist noch Luft nach oben“), das Alter der Mitglieder schwankt zwischen 50 und 70. Gut besucht seien die Bezirksversammlungen im letzten Jahr gewesen, erklärte der Vorstand, der darauf die Aktivitäten des Verbands Revue passieren ließ: Neben der Teilnahme am vergangenen Verkehrsgerichtstag, der im Arbeitskreis 6 „Fahranfänger – Neue Weg zur Fahrkompetenz“ zum Thema hatte, hatte es im Verband vier Vorstandssitzungen und drei Termine im Ministerium gegeben. Man habe sich dreimal mit der Dekra zusammengesetzt wie auch das jährliche Medienevent gemeinsam mit der Ostseezeitung auf den Weg gebracht. Zusammengesetzt hat sich der Verband auch mit IHK und Arbeitsagentur – aufgrund der wichtigen Themen Fahrlehrermangel und Förderung. Ausgerichtet wurde in diesem Zuge die alljährliche Infoveranstaltung zur Fahrlehrerausbildung. Auch eine Beratung zur Fahrschulüberwachung, so Bode, fand statt, dies sei aber noch ein leerer Raum, der erst gefüllt werden müsse. Positives gab es zum Thema Wettbewerbsverstöße zu berichtet – hier sei nichts Gravierendes zu vermelden, nur „Kleinigkeiten, die man telefonisch auf kurzem Dienstweg erledigt habe.“ Weiterhin erfreulich: Gleichgeblieben sei trotz Corona auch die Anzahl der Fahrschulen in MVP. Am 21. September werde die nächste Fahrschullehrer-Ausbildung mit vorherigem Eignungstest beginnen, 20 Teilnehmer seien angemeldet. Auch ein Klasse A-Kurs sei wieder angedacht.
Nur verschoben wurde die jährliche Motorradfortbildung auf Rügen, komplett ausgefallen war aber leider das Fahrsicherheitstraining in Peenemünde. Helmut Bode schloss mit einem kurzen Rückblick auf den 13. März und seine Folgen, betonte dabei, dass der Verband stets Up-to-Date war bezüglich Infos und Regeländerungen aus der Landesregierung. Schnell, so Bode, habe man dann im Mai auch eingesehen, dass die „seltsame Regelung aus dem Handel“ – um Theorieunterricht abzuhalten hätten pro Teilnehmer zehn Quadratmeter zur Verfügung stehen müssen – hier keinen Sinn machen würde, da im Handel davon sechs Quadratmeter Regalfläche gemeint war. Schelte gab es allerdings in puncto Soforthilfen für die Fahrschulen. „Die waren nicht so unbürokratisch wie angekündigt“. Mancher habe sie erst nach sieben, acht Wochen erhalten, in einem Fall verstrichen sogar drei Monate. „Wir hoffen, nun diese Pandemie gut zu überstehen“, erklärte Bode. Und schloss fast salomonisch, bevor er seinen Kassenbericht begann, mit den Worten eines Pädagogen. „Probleme bekommt man geregelt, wenn man miteinander und nicht übereinander redet“.
Dieter Quentin hatte als vorletzten Tagesordnungspunkt die Wahl zum Vorsitzenden vorzunehmen. Neben Helmut Bode wurde auch Klaus Petermann vorgeschlagen – der für das Vertrauen dankte, sich aus Zeitgründen aber nicht zur Wahl stellte. Auf Handzeichen wurde Helmut Bode eindeutig im Amt bestätigt. „Wir werden da weitermachen, wo wir aufgehört haben und unsere Interessen vertreten“ erklärte der alte und neue Vorstand mit Nachdruck.