Ein guter Draht zur Politik ist oft viel mehr wert als das gute alte Vitamin B(eziehung). Der Fahrlehrerverband Mecklenburg-Vorpommern hat diesbezüglich gute Karten: Denn Christian Pegel, Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung, ließ es sich Ende März nicht nehmen, Gast auf der Mitgliederversammlung der nord-östlichsten Kollegen im Land zu sein. Obwohl er eigentlich Urlaub hatte. In vielen Belangen kann die Fahrlehrerschaft auf seine Unterstützung zählen.
Dennoch gibt es Streitpunkte. Allem voran hinsichtlich des neuen Fahrlehrerrechts. So meint auch Pegel, dass es nicht unbedingt eines vollqualifizierten Fahrlehrers bedarf, um Leuten das Autofahren beizubringen. Ausschlaggebend sei vielmehr, dass ein Fahrlehrer über erstklassige didaktische Fähigkeiten verfüge und ein ausgezeichneter Pädagoge sei. Obwohl sie mit letzterem absolut übereinstimmen, bezweifeln die Fahrlehrer Mecklenburg-Vorpommerns jedoch, dass das eine das andere aufwiegen kann. Und auch in Sachen Begleitetes Fahren mit 16 gehen die Meinungen Pegels und der Fahrlehrerschaft auseinander.
Die Idee, den Zeitraum des begleiteten Fahrens auszudehnen, resultiert aus den sowohl positiven wie auch negativen Ergebnissen und Erkenntnissen aus dem BF17. Fahranfänger, die begleitet gefahren sind, machen bislang in vorbildlicher Weise auf sich aufmerksam. Dennoch wird das Potenzial des BF17 nicht ausgeschöpft. Denn viele Fahranfänger fahren bestenfalls ein paar Wochen begleitet und nicht, wie vorgesehen, mehrere Monate. Die Gründe dafür sind so vielschichtig wie banal: bei den einen fehlt das Passbild, bei den anderen der Erste-Hilfe-Kurs oder sonst etwas, wieder andere beginnen mit BF17 erst kurz vor ihrem 18. Geburtstag – und damit ist ein ganzes oder gar anderthalb Jahre begleiteten Fahrens kaum zu realisieren.
Die Idee der Fahrlehrerschaft: Ausdehnung des BF17 auf BF16, damit mehr Zeit für begleitetes Fahren zur Verfügung steht.
Pegel hegt diesbezüglich jedoch Bedenken. Er glaubt, BF16 laufe auf eine Strategie des „viel hilft viel“ hinaus – was bekanntermaßen eben nicht viel helfe und zudem auch noch ein besonderes Risiko in Sachen Rechtsuntreue berge. „Zu viele Vorschriften, zu viele Reglementierungen oder auch zu lange Reglementierungen nötigen dazu, sich über sie hinwegzusetzen, weil man die Erforderlichkeit einer Regel nicht mehr nachvollziehen kann“, so der Minister. „Außerdem bestehen signifikante Unterschiede in Reife und Verantwortungsbewusstsein bei 16-, 17- und 18-Jährigen, die berücksichtigt werden müssen.“ Nicht zuletzt gäbe es für ab 16-Jähre ausreichende Möglichkeiten, individuell mobil zu sein, dafür bräuchte es nicht zwingend ein BF16.
Dieter Quentin, 2. stellvertretender Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, hält dem entgegen, dass es in Sachen BF16 keineswegs um Mobilität gehe. „BF16 wäre ausdrücklich nicht dazu gedacht, 16-Jährigen individuelle Mobilität zu ermöglichen“, so Quentin. Ob man einen Jugendlichen als Chauffeur oder als Begleiter durch die Gegend fahre, komme unterm Strich aufs Gleiche heraus – man verbringe Zeit mit oder für den Jugendlichen und widme sich eben nicht anderen Dingen, während der Jugendliche „individuell“ – sprich: allein – unterwegs sei. „Zwar dürfen wir das Problem der Rechtsuntreue nicht aus den Augen lassen“, so Dieter Quentin. „Da BF17 aber längst nicht so ausgeschöpft wird wie es werden könnte, wäre das Projekt noch erfolgreicher, wenn die Phase des begleiteten Fahrens länger wäre.“ BF17 stelle die preiswerteste und sicherste Möglichkeit dar, mehr Verkehrssicherheit zu erreichen.
Hinzu komme, dass man sich von einer gewissen „Unreife“ der 16-Jährigen in Sachen Teilnahme am Straßenverkehr nicht davon ablenken lassen dürfe, was dieser Altersgruppe bereits jetzt zugemutet werde: In der Landwirtschaft fahren 16-Jährige mit 40-Tonnern herum, Dank Klasse L mit riesigen Zugmaschinen unausgebildet und ungeprüft. Und da Klasse AM in B enthalten ist, sind viele Fahranfänger unausgebildet und ungeprüft mit Zweirädern unterwegs und verunglücken entsprechend häufig – weil sie keine Möglichkeit und keine Notwendigkeit hatten, sich mit 16 ans motorisierte Fahren heranzutasten.
Fast ein bisschen neidisch sind Mecklenburg-Vorpommerns Fahrlehrer deshalb nicht zuletzt auf Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Jene Bundesländer, die den Mut hatten, sich auf das Modellprojekt AM15 einzulassen. „Wer sich von den Zahlen aus Österreich hat abschrecken lassen, wird hier bislang eines besseren belehrt – abgesehen davon, dass sich die beiden Projekte nicht miteinander vergleichen lassen, denn in Österreich wird AM15 weder ausgebildet noch geprüft“, so Dieter Quentin. „In den deutschen Modellregionen ist AM15 dagegen ein voller Erfolg.“
Es ist die Ausbildung, die den Unterschied macht. Doch gut ausbilden kann nur, wer selbst gut ausgebildet ist, darauf müsse insbesondere im Hinblick auf die Reform des Fahrlehrerrechts geachtet werden, betonte Quentin in seinem Vortrag über die Zukunftsfähigkeit des Fahrlehrerberufs. Dieser sei mittlerweile mehr als 100 Jahre alt und stehe gerade heute vor den größten Herausforderungen seiner Geschichte. „Der demographische Wandel stellt hier nur einen Punkt auf einer sehr langen Liste dar, auf der sich unter anderem Europa und die Fahrlehrerrechtsreform ebenso befinden wie Assistenzsysteme, E-Mobilität und die Frage, ob der Flüchtlingszustrom den Fachkräftemangel in den Fahrberufen bekämpfen kann.“ Zu begrüßen sei die Tatsache, dass immer mehr Frauen den Fahrlehrerberuf ergreifen – 8,4 Prozent aller Fahrlehrer sind mittlerweile Frauen. „Wenn ich dann aber Stimmen aus der Politik höre, die sagen, dass noch viel mehr Frauen in den Beruf kämen, wenn ein Fahrlehrer keinen Motorrad- und Lkw-Führerschein mehr bräuchte, um unterrichten zu dürfen, weiß ich, dass sich unsere Fahrlehrinnen nicht gefördert, sondern vielmehr diskriminiert vorkommen“, so Quentin.
Der angesprochene demographische Wandel ist auch im Fahrlehrerverband Mecklenburg-Vorpommern empfindlich zu spüren. „Bis vor ein paar Jahren zählte unser Verband noch um die 260 Mitglieder“, sagte der Verbandsvorsitzende Helmut Bode. „2015 sind es nur mehr 234 gewesen, die weit überwiegende Mehrzahl im fortgeschrittenen Alter.“ 2014 gab es im Land noch über 390 Fahrschulen, 2015 waren davon noch 356 übrig, davon waren 57 Zweigstellen. Die Mitgliedergewinnung läuft an vielen Fronten, hier sei die Unterstützung eines jeden Kollegen im Land gefragt. Um den Verband stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu bringen, haben Helmut Bode und seine Kollegen im vergangenen Jahr eine Kooperation mit der Ostseezeitung auf den Weg gebracht. Diese wird 2016 fortgesetzt. Dabei stellen die Fahrlehrer den Lesern in einer Quizserie Fragen zur Verkehrssicherheit, den Wissenden winken attraktive Preise.
Besonders gut kommen im Land Angebote für Senioren an. Allein auf Rügen hat das vom Ministerium geförderte Seniorenprogramm im vergangenen Jahr 319 Teilnehmer zählen können, landesweit waren es stolze 1.400. Insgesamt setzen 44 Fahrschulen in Mecklenburg-Vorpommern das Programm um. Als großer Erfolg hat sich auch das Fahrsicherheitstraining für Fahranfänger in Peenemünde erwiesen. 2015 war die Veranstaltung mit 70 Teilnehmern vollständig ausgebucht.
Fortbildung wird in Mecklenburg-Vorpommern groß geschrieben. Eine feste Größe im Portfolio ist hier die Motorradfortbildung auf der Insel Rügen, die auch 2016 wieder stattfinden wird und Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet zählt.
Schlussendlich standen auf der Mitgliederversammlung des Fahrlehrerverbandes Mecklenburg-Vorpommern auch Wahlen ins Haus. Nach vier Jahren endete heuer die Legislaturperiode des Verbandsvorsitzenden. Mit ihrer einstimmigen Wiederwahl bescheinigten die Mitglieder Helmut Bode Bestnoten für die in den vergangenen Jahren geleistete Arbeit. Über eine Wiederwahl konnten sich auch Marco Wunderlich und Torsten Brehmer freuen, die einstimmig als Kassenprüfer ihre Funktion weiter ausführen werden.
(Judith Böhnke)