Der Entwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetz sieht vor, den aktuellen Grenzwert am Steuer von 1 ng/ml THC im Blut auf 3,5 ng/ml anzuheben. „Aus unserer Sicht wird die Gesetzesvorlage dem Prinzip der vorbeugenden Gefahrenabwehr nicht gerecht. Ebenso wenig dem Anspruch, Vorschriften auf der Basis wissenschaftlicher Grundsätze zu entwickeln“, sagte Thomas Wagner, Leiter der amtlich anerkannten Begutachtungsstellen für Fahreignung bei der Dekra. Grund: Es gibt „keineswegs einen einheitlichen Forschungsstand zur Frage, ab welchem Grenzwert die Fahrsicherheit von Cannabis-Konsumenten potenziell eingeschränkt ist“, erklärt der Dekra-Experte.
Falsche Botschaft für Konsumenten
Der Einfluss von Drogen am Steuer, so Wagner, habe aus seiner Sicht schon bei geringeren Blutwerten das Potenzial, die Wahrnehmungs-, Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit am Steuer zu beeinträchtigen. „Ein höherer Grenzwert sendet die fatale Botschaft, dass Cannabis-Konsum und die Teilnahme am Straßenverkehr schon irgendwie unter einen Hut zu bekommen sind. Für Fahranfänger, den Gefahrguttransport und die Personenbeförderung braucht es aus unserer Sicht eine absolute Null-Toleranz, genau wie beim Alkohol. Aber auch alle anderen Verkehrsteilnehmer könnten eine Erhöhung des Grenzwerts als Freibrief missverstehen.“
Wissenschaftlicher Konsens: Keine Vergleichbarkeit mit Blutalkohohol-Konzentrationen
Die vorgeschlagene Erhöhung basiert auf der Einschätzung einer Arbeitsgruppe, wonach der Grenzwert von 3,5 ng/ml vom Risiko her vergleichbar sein soll mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille. „Das ist eine Meinung, aber keine wissenschaftliche Feststellung“, erklärt Frank Mußhoff, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin. „Tatsächlich besteht ein wissenschaftlicher Konsens dazu, dass keine THC-Werte Blutalkoholkonzentrationen gegenüberzustellen sind bzw. keine Konzentrations-Wirkungsbeziehungen für THC im Blut zu ermitteln sind. Zudem ist es ein gefährliches Wording, wodurch nahegelegt werden könnte, dass bei Konzentrationen darunter keine Wirkungen anzunehmen seien." Tatsächlich gebe es aber cannabisinduzierte Unfälle und Fälle mit deutlichen Ausfallerscheinungen unterhalb von 3,5 ng/ml, in denen eine relative Fahrunsicherheit festgestellt wurde.