Professor Manfred Spitzer, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III an der Universität Ulm, hat das Gutachten „Theorieunterricht in Fahrschulen: Digital oder Präsenz?“ erstellt, wie der Branchenverband Moving, die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF) und die Deutsche Fahrlehrer-Akademie (DFA) in einer gemeinsamen Mitteilung erklären. Das Gutachten komme zu dem Ergebnis, dass der digitale Theorieunterricht mittelfristig ein größeres Risiko für Gefahren im Straßenverkehr darstellt: „Positive Effekte sind nicht zu erwarten“. Spitzer schätze hingegen die zu erwartenden Risiken für den einzelnen Fahrschüler und die Gemeinschaft der Verkehrsteilnehmer als erheblich ein.
„Wie das Gutachten eindeutig beweist, würde die völlige Abschaffung des Präsenzunterrichts das Unfallrisiko für Fahranfänger erhöhen, was kein positiver Beitrag zum erklärten Ziel der Vision Zero wäre“, so Gerhard von Bressensdorf, Präsident der DFA.
Sozial benachteiligte Fahrschüler härter betroffen
Durch den digitalen Theorieunterricht hätten laut Gutachten vor allem sozial und wirtschaftlich benachteiligte Fahrschüler eine geringere Chance, die Fahrerlaubnis zu erwerben. Sie müssten die sozialen Lernprozesse, die normalerweise durch den Präsenzunterricht ausreichend und nachhaltig vermitteln werden, in die praktischen Fahrstunden integrieren. Das Ergebnis: Die Anzahl der praktischen Fahrstunden würde steigen und dadurch würden zusätzliche Kosten entstehen. Diese täfen wiederum sozial benachteiligte Menschen besonders hart.
„Der Theorieunterricht bereitet in großem Maße auf die Praxisausbildung vor. Der digitale Distanzunterricht kann diese Vorbereitung nicht mit derselben Qualität leisten wie der Präsenzunterricht, der die Lerninhalte der Theorie mit der Praxis verzahnt“, so Jürgen Kopp, Vorsitzender der BVF. Es sei zu erwarten, dass einige Inhalte nur durch zusätzliche Praxisstunden vermittelt werden könnten. „Das würde sich bei vielen Schülern deutlich auf die Führerscheinkosten auswirken“, so Kopp.
Umfrage unter Fahrlehrern: Mehrheit äußert Bedenken
Damit untermauert das Gutachten die Bedenken der Mehrheit der Fahrlehrer, so die drei Verbände. So bewerten laut einer aktuellen Umfrage von Moving unter 400 Fahrschulen die Mehrheit der Fahrlehrer den digitalen Theorieunterricht mit 78 Prozent als wenig nachhaltig. 80 Prozent sind der Ansicht, dass vor allem mögliche Gefahrensituationen besser oder viel besser im Präsenzunterricht vermittelt werden können. Die Hälfte (49 %) der befragten Fahrschulen, die aktuell Online-Theorieunterricht geben, bestätigten, dass Gefahrensituationen auf digitalem Wege schlechter vermittelt werden können.
„Wir warnen eindringlich vor einer neuen Gesetzgebung, die einen Theorieunterricht ohne einen Anteil von Präsenzunterricht möglich machen würde“, so Kopp abschließend.
Achim Trube