Im Fall, über den unter anderem das Portal kostenlose-urteile.de berichtet, kam es im März 2019 auf einer Landstraße im Saarland zu einem Verkehrsunfall. Eine Frau überholte mit ihrem Pkw eine Fahrzeugschlange und stieß dabei mit einem ausscherenden Suzuki zusammen. Grund für die Fahrzeugschlange war ein Lieferwagen, der mit eingeschaltetem Warnblinklicht auf der Fahrbahn liegengeblieben war. Einige Meter davor befand sich eine Ampel. Die Suzuki-Fahrerin scherte aus, um am Lieferwagen vorbeizufahren. Sie klagte gegen ihre Unfallgegnerin auf Zahlung von Schadensersatz.
Das Amtsgericht Homburg wies ihre Klage ab. Die Begründung: Das Unfallgeschehen beruhe nach Auffassung des Gerichts auf einem alleinigen Verschulden der Klägerin. Diese habe beim Ausscheren gegen Paragraf 6 Satz 2 StVO verstoßen. Die Klägerin legte Berufung ein. Das Landgericht Saarbrücken sah die Sache etwas anders als das Amtsgericht und entschied zum Teil zugunsten der Klägerin. Ihr sei zwar ein Verkehrsverstoß anzulasten, jedoch habe auch die Beklagte gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen. Eine hälftige Haftungsverteilung sei daher angemessen.
Nach Sicht des Landgerichts spreche einiges dafür, dass hier eine unklare Verkehrslage im Sinne von Paragraf 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO und damit ein Überholverbot anzunehmen sei. Selbst, wenn dies anders gesehen werde, habe die Beklagte gegen ihre Pflichten aus Paragraf 1 Abs. 2 StVO verstoßen. Demnach habe sie sich vergewissern müssen, warum die Fahrzeuge stehen und insbesondere ob sie verkehrsbedingt – etwa aufgrund der Rot zeigenden Ampel – halten oder tatsächlich abgestellt sind. Beim Überholen selbst hätte die Beklagte mit besonderer Vorsicht fahren müssen, da sie mit dem Ausscheren von Fahrzeugen habe rechnen müssen, so das Gericht weiter.
Landgericht Saarbrücken
Aktenzeichen 13 S 74/22