Bei der Jahreshauptversammlung des Fahrlehrerverbands Sachsen-Anhalt brachte Landesverkehrsminister Thomas Webel mit Blick auf AM15 gute Nachrichten mit: Ein Referentenentwurf aus Berlin sehe vor, dass die am Modellprojekt beteiligten Länder „zumindest die Möglichkeit der Schaffung einer eigenen Rechtsverordnung“ durch den Bundesgesetzgeber erhalten sollen, wenn die zweijährige Verlängerung am 30. April 2020 auslaufe. „Jedes Bundesland kann dann selbst entscheiden, ob es Moped mit 15 erlauben will oder nicht“, sagte Webel.
80-prozentige Erfolgsquote bei AM15
Für ein bundesweites AM15 müsse man noch bei den „alten“ Bundesländern, beim BMVI, im Bundestag und beim DVR Überzeugungsarbeit leisten, zumindest aber „sichert die Optionslösung ab 2020 ein Fortbestehen des Mopedführerscheins mit 15 in Ostdeutschland“. Interessierte Länder könnten jederzeit aufspringen, appellierte Webel. „Ich setze mich dafür ein, dass AM15 in der gesamten Bundesrepublik gelten sollte. Geplant sei, durch eine neue Schlüsselzahl auf dem Kartenführerschein zu dokumentieren, dass die Jugendlichen in den Bundesländern fahren können, die sich für eine Altersabsenkung entschieden haben.“
Seit der Einführung von AM15 in den fünf Teilnehmerländern wurden nach Webels Informationen 45.000 Prüfungen abgelegt – 80 Prozent davon wurden bestanden. Kurt Bartels, erster Stellvertreter der BVF nahm kurz Bezug auf die Rede des Ministers: Die AM15-Ergebnisse in Sachsen-Anhalt sprächen für eine bundesweite Einführung, sagt er. Webel dankte ihm für die Unterstützung.
Kritische Töne zu BF16
Beim Thema BF16 wurde Webel kritisch: AM15 und BF17 seien „derzeit eine gute Kombination“, um junge Leute auf den Straßenverkehr vorzubereiten. „Insofern wäre es schade, wenn die Einführung von BF16 zulasten des Mopedführerscheins geht“, sagte er, „aber unsere Abgeordneten im Landtag haben dazu leider eine andere Meinung.“ Diese hätten am 23. November 2018 die Landesregierung aufgefordert, sich beim Bund für einen BF16-Modellversuch einzusetzen, sobald die europarechtlichen Voraussetzungen geschaffen seien. Eines sei ihm dabei wichtig gewesen, betonte Webel: die „besonderen zweiradspezidfischen Bedingungen“ der bisher darin eingeschlossenen Klassen und Fahrzeuge zu berücksichtigen. Außerdem sollen diese Zweiräder nur mit entsprechender praktischer Ausbildung und Prüfung geführt werden. „Ein Einschluss von AM-Zweirädern bei BF16 soll es nicht geben“, rief Webel unter dem Applaus der Fahrlehrer.
Digitalisierung in der Fahrschule – Chancen und Herausforderungen
Fahrschulen und Fahrlehrer seien schon mittendrin in der Digitalisierung, stellte Kurt Bartels in seinem Vortrag klar. „Aber hilft Digitalisierung, unsere Arbeit weiterzuentwickeln?“, fragte er, „oder digitalisieren wir uns selbst weg?“ Keine Ahnung, ob es in 30 oder 40 Jahren noch Fahrlehrer gebe, antwortete Bartels auf seine eigene Frage, „aber in 15 bis 20 Jahren bestimmt noch.“ Die Fahrlehrer müssten sich deswegen den Herausforderungen stellen, denn die Entwicklung lasse sich nicht aufhalten. Die Digitalisierung biete „breitgefächerte Chancen“.
Der Berufsstand habe bislang schon die Vorteile der Digitalisierung bei der Verwaltung genutzt, etwa durch Programme zur Schülererfassung, Online-Beantragungen oder bei Tätigkeits- bzw. Ausbildungsnachweisen. Für die Zukunft sieht Bartels Chancen in der papierlosen Datendokumentation, der digitalen Ausbildungsbescheinigung oder der vorläufigen digitalen Fahrberechtigung.
Plädoyer für den Präsenzunterricht
Eine Absage erteilte der BVF-Vorstand jedoch dem rein virtuellen theoretischen Unterricht. „E-Learning kann unsere verkehrspädagogische Lehrtätigkeit unterstützen“, sagte er, „aber Verkehrssicherheit gibt es nicht zum Nulltarif, wir brauchen den Präsenzunterricht. Unsere Kunden sind Schüler, die etwas lernen wollen“. Es gehe nicht nur im Faktenwissen, erst die Diskussion in der Fahrschule mache Verkehrssicherheit erlebbar. Der Straßenverkehr sei „ein gesellschaftliches Sozialgefüge“, das ausschließlich in der realen Welt vorkomme. „Wir sind als Lehrer gefordert und müssen die Schüler physisch betreuen.“ Der Präsenzunterricht müsse modern weiterentwickelt, digitale Medien dabei schlau genutzt werden.
Die praktische Ausbildung befinde sich derzeit „im schnellen Wandel“. Fahrassistenzsysteme würden umfangreich serienmäßig verbaut und immer besser – aber, betonte Bartels, sie hätten auch „Mucken“. Oder es gebe Spannungsverhältnisse, wie zum Beispiel in Level 3 des automatisierten Fahrens: Laut StVG darf man sich abwenden, müsse aber jederzeit eingreifen können. „Geht das?“, fragte Bartels und forderte: „Es muss dann Menschen geben, die erklären, wer sich wann wie abwenden kann. Es braucht gute Lehrer im realen Lernumfeld“
Fahrlehrer und Sachverständige müssten sich gemeinsam Gedanken über die Digitalisierung machen, sagte Bartels. Der Umgang mit Fahrassistenzsystem und autonomem Fahren müsse „praxisgerecht“ in Ausbildung und Prüfung integriert werden.
Mit Blick auf eine zeitgemäße Automatikregelung konnte Bartels nur den Kopf schütteln: Diese wurde am 5. Februar von der EU abgelehnt. Bartels: „Die EU hat das nicht auf dem Schirm.“ Fahrassistenzsysteme und alternative Antriebe würden nur mit Automatik funktionieren. In Neufahrzeugen werde es bald keine Schaltung mehr geben. „Man zwingt uns, mit alter Technik auszubilden“, klagte er.
Dekra: sinkende Erfolgsquoten
André Schimera vom Dekra berichtete vom Prüfgeschehen 2018. In Sachsen-Anhalt seien 1,2 Prozent theoretische Prüfungen weniger abgelegt worden als im Vorjahr (Deutschland: - 2 Prozent). Dagegen habe es 2,6 Prozent mehr praktische Prüfungen gegeben (Deutschland: 3,4 Prozent). Gründe dafür seien unter anderem der Fahrerlaubniserwerb durch Migranten, die wirtschaftliche Entwicklung und AM15, sagte Schimera. Moped mit 15 sei auch 2018 ein Erfolg gewesen, es habe in Sachsen-Anhalt 9,6 Prozent mehr Prüfungen als 2017 gegeben (1.945, davon bestanden: 1.550). AM15 ermöglicht laut Dekra eine „qualitativ verbesserte Verkehrsteilnahme durch professionelle Ausbildung und Prüfung statt theoretischer Mofaprüfung“.
Erfolgsquoten und Ärgernis Manipulationen
56,5 Prozent haben 2018 die theoretische Prüfung bestanden (2017: 55,1), 63,6 Prozent die Praxis (2017: ebenso). TP-weit belaufen sich die Quoten auf 57,1 (Theorie) und 64,9 Prozent (Praxis). Das BMVI habe auf diese sinkenden Erfolgsquoten reagiert und die Fahrschüler-Ausbildungsordnung geändert, sagte Schimera. Ein Paragraf-31-Umschreiber müsste künftig den Fahrlehrer vor der Prüfung überzeugen, dass er „über die zum Führen eines Kraftfahrzeugs erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt“, wie es im Entwurf zur 13. Änderungs-Verordnung der FeV heißt, die in diesem Jahr in Kraft treten soll.
Nach den Informationen zur optimierten praktischen Fahrerlaubnisprüfung (Start 1.1.21) ging Schimera noch auf ein großes Ärgernis im Prüfgeschehen ein: die zunehmende Manipulationen in der theoretischen Prüfung. Insbesondere der Technikbetrug habe enorm zugenommen, sagte er. 2018 wurde 73 Prozent mehr Unterschleif als im Vorjahr festgestellt. Leider seien die Möglichkeiten dagegen derzeit ausgeschöpft, klagte Schimera, daher bestehe Handlungsbedarf. „Österreich ist hier schon weiter, dort gilt Manipulation als Straftat.“
Versicherungsmarkt: Wohin geht die Reise?
Andreas Anft, Vorstandsvorsitzender der Fahrlehrerversicherung, berichtete zunächst aus dem Geschäftsjahr seines Unternehmens. 68,4 Millionen Beitragseinnahmen ständen 52, 8 Millionen Euro an Schadenzahlungen gegenüber. Nach weiterem Abzug von Kosten und Steuern gehe er von 0,8 Millionen Euro Jahresüberschuss 2018 aus.
Auch an der Fahrlehrerversicherung geht das Thema Digitalisierung nicht vorbei. Anft berichtete über mögliche Geschäftsmodelle, die sein Unternehmen in Zukunft anbieten könnte, zum Beispiel optimierte, automatisierte und noch stärker auf den Kunden ausgerichtete Prozesse, Mulitchannel-Kommunikation, vollautomatisierte Policierung oder das Schadentracking mit jederzeit verfügbarem Bearbeitungsstand via Portal, App und Push-Nachricht. „Höchste Priorität“ hat laut Anft derzeit aber das neue Bestandsführungssystem mit standardisierten Schnittstellen. Weiterhin gelte bei der Fahrlehrerversicherung: „Menschen unterhalten sich mit Menschen“, versicherte er. Es werde kein Callcenter mit Chatbot geben.
Man werde mit Bedacht automatisieren, fasste Anft zusammen, und der Vereinsgedanke überrage weiterhin alles andere. Direktionsbeauftragte seien Partner und würden nicht auf Provisionsbasis arbeiten. „Unsere Kunden sind Mitglieder. Sie bestimmen, wohin die Reise geht“, stellte er klar. „Wir haben kein Interesse an Gewinnmaximierung, der Jahresüberschuss fließt ins Eigenkapital.“
„Müssen Veränderungen schaffen“
Im internen Teil der Jahreshauptversammlung berichtete Sachsen-Anhalts Vorsitzender Wolfgang Prescher aus dem Verbandsleben. Der Fahrlehrerverband Sachsen-Anhalt hatte im vergangenen Jahr 167 Mitglieder. Aufgrund der Altersstruktur sei es wichtig, junge Kollegen für die Mitgliedschaft zu gewinnen, unterstrich er.
Der Arbeitsumfang in den Fahrschulen habe sich verbessert, sagte er, die Zahl der Azubis sei gestiegen: Dennoch werden neue Betätigungsfelder für Fahrlehrer gesucht, etwa im Bereich Fahrassistenzsysteme oder der E-Mobilität. Leider gab und gibt es bei letzterer immer noch einen Wermutstropfen: den Automatikeintrag bzw. die Schlüsselzahl 78. „Hier müssen wir Veränderungen schaffen“, betonte Prescher. Es brauche klare gesetzliche Regelungen, bislang habe aber kein gravierender Fortschritt erreicht werden können.
Prescher kritisierte in seiner Rede außerdem, die Tauglichkeitsuntersuchung bzw. der Augentest auf C1/C-Niveau sei nicht nachvollziehbar, vor allem vor dem Hintergrund, dass nur noch die Fahrerlaubnisklasse B Zugangsvoraussetzung zum Beruf sei. Gleiches gelte für das erweiterte Führungszeugnis. Dieses solle nur bei Eignungszweifeln gefordert werden.
Auch beim Thema „schlechte Bestehensquoten“ stand der Vorsitzende an der Seite seiner Kollegen: Das liege nicht an der Qualität der Fahrlehrer, sagt Prescher, er sei der Ansicht, der „Vortest“ solle lieber in den Fahrschulen durchgeführt werden, um eine realistische Einschätzung des Wissensniveaus zu erhalten. Umschreiber müssten außerdem vor der Prüfung ausgebildet werden.
Zum Abschluss wies Prescher noch auf die neue Website des Verbandes hin unter: flv-sachsenanhalt.de.