Zum ersten Mal begrüßte der im vergangenen Jahr neu gewählte Vorsitzende Jochen Klima die Mitglieder des Fahrlehrerverbands Baden-Württemberg. Der Nachfolger des langjährigen Amtsinhabers Peter Tschöpe blickte in Ulm zurück auf das erste Jahr seiner Amtszeit: „Wir haben im Vorstand gut zusammengefunden und neue Schwerpunkte gesetzt", sagte Klima. Zusammen mit seinen beiden Vorstandskollegen wolle er den baden-württembergischen Fahrlehrerverband „fit machen für die Zukunft".
Paragrafenhagel und Reformstau
Doch zunächst ging es um rechtliche Probleme der Gegenwart. Das Anfang 2013 in Kraft getretene Fahrerlaubnisrecht (FEV) erfuhr innerhalb von knapp 18 Monaten mit der 9. und 10. Änderungsverordnung zwei erhebliche Modifikationen. „Für Führerscheininhaber, Fahrschüler, Behörden und besonders für unsere Mitglieder ist die Rasanz der Rechtsordnung eine Belastung", klagte Klima. Zudem habe die Bundesregierung die erwartete und zugesagte Reform des Fahrlehrergesetzes bis 2016 verschoben. „Somit können dringend erforderliche Änderungen des Berufszugangs und die Umgestaltung des Fahrlehrerberufs zu einem echten Ausbildungsberuf in dieser Legislaturperiode wohl wieder nicht umgesetzt werden", sagte Klima.
Scharf kritisierte er auch EU-Regelungen, die den Einsatz spritsparender Hybrid- und Elektrofahrzeuge in der Fahrschulpraxis verhindern. „Anachronistisch" seien diese, meinte Klima, die geltende Automatikregelung müsse einer flexibleren weichen. „Es gibt im Straßenverkehr wichtigere Dinge als zu kuppeln."
Auch die demographische Entwicklung des Landes bereitete Klima Sorgen. Durch den damit verbundenen deutlichen Rückgang der Fahrschülerzahlen dürfe man die Nachwuchsfrage nicht aus den Augen lassen, sagte der Vorsitzende. „In den nächsten zehn Jahren geht ein großer Teil der heute aktiven Kolleginnen und Kollegen in den Ruhestand", sagte Klima. „Wenn wir nicht schon jetzt die Weichen richtig stellen, bekommen wir ein Nachwuchsproblem, das sich gewaschen hat." Heute müssten junge Menschen, die unseren Beruf erlernen wollen, zunächst eine völlig andere Laufbahn einschlagen. Klima warnte: „Wenn das so bleibt, sind die guten Leute schnell weg."
Lob und Kritik am TÜV
Doch auch Erfreuliches gab es zu vermelden: Der TÜV zieht künftig die Prüfungsgebühren selbst bei den Prüflingen ein und entlastet damit die Fahrschulen. „Damit erfüllt sich ein Jahrzehnte alter Wunsch der Fahrlehrerschaft", stellte Klima fest. Zudem bietet der TÜV demnächst die Möglichkeit, praktische Prüfungsplätze online zu buchen. Bei der bisher praktizierten Anmeldung gab es in Wochen mit Feiertagen und vor den Sommerferien immer wieder Verstimmungen. Man werde die Leistungsfähigkeit des TÜV im Auge behalten, kündigte Klima an.
Hans-Peter Neppel vom TÜV Süd reagierte in seinem Grußwort auf Klimas Kritik: „Ein Auftragsstau bei den Prüfern war ursächlich für die Probleme der Vergangenheit. Um dies künftig zu verhindern, haben wir neue Mitarbeiter eingestellt. Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten." Dabei übte Neppel auch Kritik an den Fahrschulen: Bis zu 44 Prozent der Prüfungstermine würden kurzfristig zurückgegeben. „Das stellt den TÜV bei der Registrierung vor Herausforderungen."
„Kein Öl ins Feuer gießen"
Auch Gerhard von Bressensdorf ließ am gegenwärtigen Gesetzeschaos kein gutes Haar. Der Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF) nahm die unzähligen Reformen, Nachträge und Nachlässigkeiten bei FEV, Berufskraftfahrerordnung (BKO) und Fahrlehrergesetz aufs Korn. „Diese ständigen Änderungen sind ein Irrsinn", polterte von Bressensdorf.
Von Bressensdorf nahm anschließend noch einmal Stellung zum viel gescholtenen bundesweiten Vergleich der Fahrschulpreise, der unter anderem in BILD und DIE WELT publiziert wurde: „Wir vom Bundesverband haben darauf nicht reagiert, um kein Öl ins Feuer zu gießen", erklärte er. „Diese Studie, die nur Zahlen vergleicht, ist einfach unsauber." Sehr wohl reagierte der baden-württembergische Fahrlehrerverband: In der Jahreshauptversammlung nimmt der Gastgeber in einer ausführlichen Pressemitteilung zur kritisierten Studie Stellung.
Neuer Schwung mit digitaler Kommunikation
„Generation Y – Wer wir sind und was wir wollen", hieß der Titel des Vortrags von Unternehmensberater und Buchautor Philipp Riederle. Der 19-Jährige klärte unter anderem über das Kommunikationsverhalten der „Digital Natives" auf, der Generation, die mit digitalen und sozialen Medien aufgewachsen ist. Er riet den Fahrlehrern, alle digitale Kommunikationskanäle zu nutzen. „Reden Sie online so, wie Sie im Auto mit Ihren Fahrschülern reden", sagte Riederle. „Machen Sie Kunden zu Fans, die ihr Erfahrungen im Internet weitererzählen."
Der interne Teil der Mitgliederversammlung am Nachmittag begann mit positiven Nachrichten aus dem Geschäftsbericht: Das Defizit aus dem Jahr 2012 konnte laut Verbandsvorsitzendem Klima im vergangenen Jahr nahezu ausgeglichen werden. Klima blickte außerdem auf zahlreiche Neuerungen zurück, die den Verband fit für die Zukunft machen sollen: regelmäßige Newsletter, Facebook-Auftritt sowie die strategische Initiative „Mobil für morgen" stehen beispielhaft für die Bemühungen des Verbandes, neue Wege zu gehen.
Gut ins Bild passte da der Abschluss der Jahreshauptversammlung: Nach der Entlastung des Vorstands klang die Veranstaltung mit der neu eingeführten After-Work-Party aus.
(tc)