Nach den Grußworten von Adalbert Dornbusch, Bürgermeister der Stadt Lahnstein, ging Gerhard Harmeling, Leiter der Abteilung 7 des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, auf die aktuelle Situation der Fahrlehrer im Rheinland ein. „Sie stehen im Brennpunkt des Geschehens, wenn es um das Thema Verkehrssicherheit geht“, sagte Harmeling. „Die Fahrlehrerschaft leistet einen wesentlichen Beitrag für die Sicherheit auf unseren Straßen.“
Weit entfernt von „Vision Zero“
Im Jahr 2018 habe es etwas weniger Tote in Rheinland-Pfalz gegeben, dennoch sei die Zahl immer noch zu hoch und weit entfernt von der „Vision Zero“. Ein Hauptgrund ist für Harmeling der verstärkte Einsatz von Multimedia im Fahrzeug, speziell durch die Smartphones, die für eine gefährliche Ablenkung sorgen. Darum wünscht er sich, dass die Verkehrspolitik hier mehr unternimmt, und dass auch die Fahrlehrer in ihren Schulungen auf diese Gefahren hinweisen.
Ein wichtiges Thema sei das Begleitete Fahren ab 16 Jahren, das von der Landesregierung Rheinland-Pfalz unterstützt werde. „Diese Menschen, die mit 16 schon begleitet fahren, sind die besseren Verkehrsteilnehmer von später. Auch die Bundesregierung setzt sich dafür ein“, versicherte Harmeling.
Sozialkompetenz nicht digital erlernbar
Zum Thema „E-Learning“ für Fahrschüler hat das Ministerium eine ganz klare Meinung: „Der Erwerb der Fahrerlaubnis ist ein Kernbereich der Verkehrssicherheit. Da sollte man nicht vom Standard runtergehen. Die reine Vermittlung des theoretischen Wissens via Internet ist überhaupt nicht zielführend.“ Die Mehrheit der Länder lehne deshalb den Einsatz von E-Learning im Sinne eines vollständigen Ersatzes des derzeitigen Präsenzunterrichtes komplett ab. Sozialkompetenz im Straßenverkehr könne nicht digital gelernt werden.
Das Modellprojekt AM15 wurde in den neuen Bundesländern bis 2020 verlängert. Die Bundesregierung habe nun ab Juli den Weg freigemacht und den Ländern freigestellt, AM15 einzuführen. „Wir sind in der Diskussion mit Nachbar-Bundesländern, denn wir würden ungern diesen Weg alleine gehen, weil wir auch grenzüberschreitend die Nutzung dieses Führerscheins haben wollen.“ Doch generell sehe es nicht schlecht aus, denn gerade in den ländlichen Räumen sei dies von Vorteil.
Traurig sei nach wie vor die Situation im Bereich der Täuschungsversuche bei Führerscheinprüfungen und deren strafrechtliche Bewertung. Die Zahlen seien doch überraschend hoch und deshalb müsse der Gesetzgeber härter agieren, um das zu unterbinden, aber der sei noch nicht weit genug. Härtere Strafen seien sicher ein Instrument, um die Täuschungsversuche einzudämmen.
Quentin: Unverständnis für Skepsis bei AM15
Dieter Quentin, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF), ging zunächst auf das Referat von Gerhard Harmeling ein. „Der Multimedia-Einsatz in Fahrzeugen macht unsere Arbeit nicht leichter.“ Das liege auch daran, dass viele Ausbildungsvorschriften und Prüfungsrichtlinien der Realität hinterherhinken. Die Technik sei weiter als der Gesetzgeber. Ziel müsse es sein, bessere und aktuelle Bedingungen zu erhalten. „Da bitte ich Sie, uns auch weiterhin zu unterstützen.“
Als Vertreter des „Mutterlandes des Begleitenden Fahrens“ – BF17 startete damals in Niedersachsen – sprach Quentin von einer „Erfolgsgeschichte“. „Es freut mich sehr, dass grundsätzlich das Bundesverkehrsministerium, die Länder und die technischen Prüfstellen der Überzeugung sind, dass Begleitetes Fahren mit 16 eine gute Möglichkeit ist.“ Man müsse allen Kritikern klar machen, dass 16-Jährige Motorrad fahren dürften und zudem im ländlichen Bereich 16-Jährige einen Führerschein der Klasse T machen können. „Da wird es einem 16-Jährigen zugemutet, nach entsprechender Ausbildung, alleinverantwortlich mit 40 Tonnen Getreide oder Zuckerrüben unterwegs zu sein.“ Das sei für ihn ein sehr deutliches Zeichen, dass auch ein 16-Jähriger sehr wohl in der Lage sei, nach der Prüfung und unter Aufsicht Fahrerfahrung zu sammeln.
Beim Thema AM15 sieht der Bundesvorsitzende die Evaluation des Modellprojektes in den neuen Bundesländern sehr kritisch. „Dieses Gutachten ist nicht so wirklich deutlich aussagekräftig.“ Dort seien Unfälle aufgenommen, die aus Sicht der Bundesvereinigung eher als „Hinfaller“ wahrgenommen werden. Eigentlich müsse die derzeitige Situation AM15 befeuern. Zudem gebe es eine deutliche Diskrepanz im Verhältnis zum Umgang mit den E-Scootern. „Sie kommen mit 20 km/h daher, sind unausgebildet und dürfen dann ungeprüft auf Radwegen fahren. Das sollen wir im Sinne der Verkehrssicherheit dulden, denn das möchte die Politik offensichtlich. Aber AM15 mit einer erstklassigen Ausbildung, mit einer angemessenen Prüfung, da hadert man. Das verstehe ich nicht.“
Fahrlehrerschaft durchlebt Änderung wie nie zuvor
In seinem eigentlichen Vortrag referierte Quentin zum Thema „Digitalisierung in der Fahrschule“ und beleuchtete dabei die Chancen und Herausforderungen. „Die Fahrlehrerschaft durchlebt zurzeit eine Veränderung ihrer beruflichen Tätigkeit, wie sie vorher noch nie stattfand.“ Darum müsse überlegt werden, wie Fahrschule in Zukunft überhaupt noch funktionieren kann. „Wir müssen nicht alles mitmachen, aber viele Vorteile der Digitalisierung nutzen wir schon.“ Gerade in der Verwaltung werde mittlerweile überwiegend digital gearbeitet. Die Online-Beantragung der Fahrerlaubnis sei noch nicht verbreitet, obwohl es schon viele Versuche gegeben habe. „Wir gehen davon aus, dass das nicht mehr allzu lange dauern wird.“
Die Chancen in naher Zukunft seien eine papierlose Dokumentation, die digitale vorläufige Fahrberechtigung oder sogar der Führerschein auf dem Smartphone. Quentin zeigte dabei den Fahrlehrern einen digitalen Führerschein auf dem Smartphone, den es im Kosovo schon gibt. „Der riesengroße Vorteil ist, dass der Verkehrspolizist bei einer Kontrolle den Führerschein scannt und direkt mit seiner zentralen Stelle verbunden ist, die feststellt, was der Besitzer dieses Führerscheins tatsächlich für Erlaubnisse hat. Das Ding ist nahezu fälschungssicher.“
E-Learning ist für Quentin keine Alternative zum theoretischen Unterricht in der Fahrschule, denn es gehe letztlich um Qualität. „Wissenschaftler haben festgestellt, dass nicht das sture Pauken von Regeln der wichtige Aspekt eines Theorieunterrichtes ist, sondern das Begreifen und das Bewältigen eines hochkomplexen Straßenverkehrs.“ Das könne ein elektronisches Lehrprogramm definitiv nicht vermitteln. Unverzichtbar sei dabei auch die Vermittlung von Sozialkompetenzen wie Konfliktfähigkeit und Empathie. Verkehrssicherheit brauche gute Lehrer und zwar in einem realen Lernumfeld.
In der praktischen Ausbildung spielen die Fahrerassistenzsysteme eine immer größere Rolle. „Wir haben dazu aber nichts in der Ausbildung geregelt, weder zu Fahrerassistenzsystemen noch zum Thema automatisiertes Fahren.“ Darum müsse es eine Ausbildungsverpflichtung für Fahrerassistenzsysteme geben, damit diese auch geprüft werden können.
Rund 18.000 ID 3 vorbestellt
Für die Volkswagen AG stellte Jens Kotschwar die neuesten Modelle vor allem unter dem Aspekt der Fahrschulangebote vor. Viele der neuen Fahrzeuge werden weiterhin mit der Fahrschulausrüstung angeboten. Ganz aktuell gibt es bereits das Prebooking für den „ID 3“, ein rein als Elektroauto konzipiertes Fahrzeug. Bereits jetzt seien rund 18.000 „ID 3“ vorbestellt. Durch WLTP 2.0 werde es nachhaltig zu weiteren Angebotseinschränkungen kommen. Es gebe verschärfte Prüfanforderungen, und das führe dazu, dass alle Fahrzeuge auf den Prüfstand müssen. Das koste viel Zeit und führe zu Engpässen.
TÜV baut Personal auf
Arne Böhme, Geschäftsfeldleiter der TÜV Rheinland Group, berichtete, dass die Zahl der Theorieprüfungen leicht gesunken, während die Zahl der praktischen Prüfungen gestiegen sei. Bei den Umschreibern sei die Nichtbestehensquote in der Klasse B auf 45 Prozent nach oben gegangen. 7,2 Prozent aller praktischen Prüfungen sind Umschreiber-Prüfungen. Bei den Fremdsprachen liege der größte Anteil mittlerweile im Bereich „hocharabisch“. „Wir sind natürlich dabei, Personal aufzubauen. Wir haben jetzt in Koblenz drei neue Leute an Bord, mehrere sind in der Ausbildung“, sagte Böhme.
Chatbots bei Fahrlehrerversicherung tabu
Thomas Freythaler, Vorstandsmitglied der Fahrlehrerversicherung, stellte die Jahresbilanz vor. Die Beiträge belaufen sich auf 68,4 Millionen Euro, dem gegenüber stehen Schadenszahlungen in Höhe von 53,3 Millionen Euro. Auch bei ihm ging es unter anderem um das Thema Digitalisierung, und er ging der Frage nach, wohin die Reise auf dem Versicherungsmarkt geht. Bei der Digitalisierung gehe es vor allem darum, Prozesse zu automatisieren. Klar sei auf jeden Fall, dass es bei der Fahrlehrerversicherung keine Chatbots geben werde, sondern dass immer noch „Menschen mit Menschen sprechen“.
128 Termine der Vorstandsmitglieder
Die Versammlung ging nahtlos in den internen Teil über. An 128 Terminen habe der erweiterte beziehungsweise geschäftsführende Vorstand 2018 teilgenommen oder organisiert, zeigte Verbandsvorsitzender Jo Einig auf, wie viel Arbeit im Verband geleistet worden ist.
In der Zusammenarbeit mit dem TÜV Rheinland hätten die letzten Gespräche gezeigt, dass es in die richtige Richtung geht. Die Zufriedenheit der Kunden des TÜV führe nur über die Zufriedenheit der Kunden der Fahrschulen. „Man sollte nie vergessen, dass wir auf diese Zusammenarbeit angewiesen sind, denn eine Fahrschule steht – wenn sie die Termine nicht bekommt – sehr schnell betriebswirtschaftlich mit dem Rücken an der Wand.“
Überhaupt nicht in Ordnung findet Jo Einig die Regelung zur Umschreibung der Fahrerlaubnis, denn hier sei der „schwarze Peter“ an die Fahrlehrer weitergegeben worden. Hier müsse eine Ausbildungspflicht vorgeschrieben werden, denn die Presse habe sich schnell auf die Fahrlehrer gestürzt, doch durch viele Gespräche sei Überzeugungsarbeit für die Öffentlichkeit geleistet worden.
Zur Wahl des 1. stellvertretenden Vorsitzenden standen mit Bernd Gutweiler und Amtsinhaber Detlef Jungbauer zwei Kandidaten zur Wahl. Mit 47 zu 22 Stimmen setzte sich Jungbauer in Abwesenheit durch und wird damit die nächsten vier Jahre dieses Amt innehaben.
(Ulrich Lieber)