Von einer „formalen Aufholjagd, um den Verbandsregularien gerecht zu werden“, sprach LBF-Vorsitzender Jürgen Kopp, als er rund 80 Fahrlehrer in Berchtesgaden begrüßte. Dank Hygienekonzept und enger Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt konnte die Veranstaltung stattfinden – jedoch fast ohne Gäste und Aussteller. Dennoch gab es bis zuletzt Bedenken, ob die Versammlung über die Bühne gehen konnte: Die Unwetterkatastrophe, die auch das Berchtesgadener Land heimgesucht hatte, warf ihre Schatten auf die Versammlung. „Einige Kollegen sind davon betroffen“, sagte Kopp. Man habe bis zuletzt nicht gewusst, ob man hätte absagen müssen.
Extreme Drucksituation
Man musste nicht – und absolvierte ein straffes Programm, das gleich zwei Geschäftsjahre umfasste. Das allgegenwärtige Thema Corona wurde im zweiten Teil behandelt. „Wir blicken auf ein enorm schwieriges Jahr mit schwierigsten Arbeitsbedingungen zurück“, stellte Kopp fest. „Die extrem kurzfristigen Entscheidungen des Bundes, Landes und der einzelnen Ministerien haben uns extrem unter Druck gesetzt, um Ihnen so schnell und so verlässlich wie möglich die aktuellen Neuerungen mitzuteilen.“ Das Tragen von FFP2-Masken während der Ausbildung sei – auch für die Schüler – „extrem belastend“ gewesen. Corona-Auflagen, Hygienekonzepte und Desinfektionsmaßnahmen hätten die Fahrschulen auch finanziell stark in Anspruch genommen. Außerdem seien finanzielle Hilfen nur „sehr spärlich“ geflossen.
Kopp gab einen Überblick über die zahlreichen – und langwierigen – Gespräche mit Politik und Verwaltung während der Lockdownphase, die insgesamt 122 Tage gedauert hatte. „Wir sind beim zweiten Lockdown sehr schnell tätig geworden“, sagte er, „und konnten bald erste Öffnungsschritte mit den zuständigen Ministerien besprechen – auch durch die gute Zusammenarbeit mit dem TÜV. Am 22. Februar ging es wieder los – dank guter Argumente.“
Irritierendes Informationschaos
Dennoch beklagte Kopp die „katastrophale Informationslage“ während der Lockdowns. Ministerien hätten sich erst abstimmen müssen, Meldungen seien sehr kurzfristig gekommen. Außerdem habe es irritierende Informationen aus Baden-Württemberg und Hessen gegeben, die zum Teil weiter ausbilden durften. Diese länderspezifischen Unterschiede habe vielfach für Unverständnis gesorgt. An den Landesgrenzen sei es zu „erheblichen Wettbewerbsbeeinflussungen“ gekommen.
Schließlich sei als zweifelhaftes „Zubrot“ auch noch der Online-Theorieunterricht serviert worden. Man wolle verbandsseitig „mit ganzer Kraft daran arbeiten, dass die Verbindung zu den Schülern mit einem Präsenzunterricht sowohl in der Theorie als auch in der Praxis voll erhalten bleibt“. Nur so könne man bestmögliche Ergebnisse im Sinne der Verkehrssicherheit erzielen. Hervor hob Kopp die „hervorragende Zusammenarbeit“ mit dem bayerischen Innenministerium: „Alle Mitarbeiter hatten für unsere Anliegen allzeit ein großes Verständnis und die Bereitschaft, unsere Anliegen zu prüfen und soweit wie möglich zu unterstützen.“
Verzerrtes Bild bei Fahrschülerzahlen
Der Vorsitzende nannte einige Zahlen zum Verbandsgeschehen. 2.172 Mitglieder hatte der bayerische Verband 2020, davon 1.093 Fahrschulinhaber und 673 angestellte Fahrlehrer. Im Vergleich zu 2019 habe es insgesamt nur eine geringe Veränderung gegeben (-2). Die Zahl der angestellten Fahrlehrer habe um 13 zugenommen, das sei ein „erfreulicher, kleiner Zuwachs“. Seit 2018 hätten 236 Fahrschulen aufgegeben oder seien in größeren Fahrschuleinheiten aufgegangen. Das sei eine „Konsolidierung des Fahrschulmarkts, die schon lange vorhergesehen wurde“, stellte Kopp klar. Da auch die Fahrlehrerausbildung von den Auflagen der Corona-Regelungen erheblich betroffen gewesen sei, habe sich auch der Fahrlehrermangel weiter erhöht. Die Nachfrage nach Fahrlehrern sei nach wie vor sehr noch.
Mit Blick auf die Fahrschülerzahlen ergibt sich für das Jahr 2020 nach Verbandsangaben ein „verzerrtes Bild“. Man schätze, dass rund 80.000 Prüfungen nicht haben durchgeführt oder abgeschlossen werden können. Das habe auch zu einer Verteuerung der Ausbildung geführt. Die Erfolgsquoten in Theorie und Praxis lagen bei 73,9 bzw. 78,8 Prozent. Es seien in fast allen Klassen leichte Verbesserungen erkennbar – eine sichere Analyse sei aber nur nach einer ausführlichen Untersuchung möglich.
Ein echter Wermutstropfen war dagegen laut Kopp, das weitere wichtige Präsenzveranstaltungen wie Kreis-, Regional- und Herbst- und Fortbildungsveranstaltungen nicht stattfinden konnten, weil laut Kopp „die Auflagen nicht zu erfüllen waren“. So habe auch das Verbandsleben gelitten.
Premium-Tarif der Fahrlehrerversicherung für Fahrlehrer
Maurice Maué, bayerischer Direktionsbeauftragter der Fahrlehrerversicherung, präsentierte in Berchtesgaden Aktuelles aus seinem Haus, etwa die beiden Hilfspakete 2020 und 2021. Diese seien erfolgreich abgeschlossen worden. Die Beitragsrückerstattung für Fahrschulfahrzeuge sei ohne Abmeldung möglich gewesen. „Rund 8.000 Kunden mit etwa 45.000 Verträgen haben dieses Angebot in Anspruch genommen“, sagte er. Die Abwicklung sei unkompliziert über das Kundenportal des Branchenversicherers möglich gewesen. Zum Abschluss seines Vortrags stellte Maué noch das neue Tarifsystem vor: Künftig gebe es drei Tarife – Basis-, Komfort- und Premium –, wobei der Fahrschultarif künftig Premiumleistungen umfasse. Extraleistungen gebe es für E-Fahrzeuge.
Diskussion mit dem TÜV
Die bayerischen Fahrlehrer, die während der Corona-Pandemie laufend vom Verband per Newsletter informiert wurden und werden, dankten dem Vorstand für seine Arbeit, indem sie diesen für die Geschäftsjahre 2019 und 2020 entlasteten. Nach der Wahl des 2., 4. und 5. Vorstands – Siggi Winter wurde als „Vize“ bestätigt, Ingo Jeray rückt nach der Verabschiedung Harald Paschers von Position fünf auf vier vor und Sascha Albrecht ist neuer „Fünfter“ –, kam es zur Aussprache mit dem TÜV.
Thema: der nervenzehrende Mangel an Prüfplätzen. Wann der „Corona-Berg“ an Fahrschülern endlich abgebaut ist, wollten viele Fahrlehrer wissen. Jochen Krebs und Philipp Puls vom TÜV Süd stellten sich der Diskussion. Trotz 15-prozentiger Leistungssteigerung durch den TÜV werde es noch mehrere Monate dauern, bis ein „normaler Zustand“ erreicht sei, sagte er. Es werde bis in Jahr 2022 gehen. Der TÜV-Vertreter zeigte anhand von Grafiken die Fortschritte, die sein Verein beim Abbau des „Corona-Bergs“ gemacht habe – seitens der Fahrlehrer kam dennoch die ein oder andere Frage. Es wurde schlechte Kommunikation bei der Rückgabe von Prüfplätzen bemängelt und mangelnde Flexibilität, wenn etwa ein Fahrschüler krankheitsbedingt kurzfristig absagen muss. Die TÜV-Vertreter hörten sich die Beschwerden der Fahrlehrer an und stellte – wo möglich – Besserung in Aussicht.
Jürgen Kopp dankte zum Abschluss allen Mitgliedern „für die Zuarbeit und die aufmunternden Worte“ während der Lockdowns. Sein Dank galt auch den Angestellten und Mitarbeitern im Verband. „Die Anforderungen an euch, liebe Kollegen, waren ganz besonders hoch“, sagte Jürgen Kopp an „seine“ Fahrlehrer gerichtet. „Und es schaut danach aus, als würde das noch eine Zeit lang so bleiben.“