Bevor man mit seinem Fahrzeug losfährt, sollte man sich immer vergewissern, dass der Weg frei ist und dafür auch um das Auto herumgehen. Wer das nicht tut, muss mit einer Mithaftung bei einem Unfall rechnen, wie ein Fall zeigt, über den das Anwaltsregister auf seiner Webseite berichtet: Zwei Frauen waren Gäste einer Party. Eine verlies das Fest gegen vier Uhr morgens und stieg in ihr Auto, das auf dem Grundstück geparkt war. Als sie losfuhr, rollte sie über die andere Frau. Die 16-Jährige hatte mit mehr als zwei Promille Blutalkoholgehalt vor dem Fahrzeug geschlafen. Die Autofahrerin hatte sie nicht bemerkt. Die Betrunkene zog sich dabei erhebliche Verletzungen zu und klagte auf mindestens 40.000 Euro Schmerzensgeld. Eine Vorinstanz sah die Hauptschuld allerdings bei der Verletzten. Die Autofahrerin sollte aufgrund der allgemeinen Betriebsgefahr des Autos nur zu einem Viertel haften. Der 16-Jährigen wurde ein Schmerzensgeld von 5.000 Euro zugesprochen. Dagegen ging die Klägerin vor.
Betrunken, aber zurechnungsfähig
Mit Erfolg – denn das Oberlandesgericht sprach der Autofahrerin eine größere Verantwortung zu als die Vorinstanz, indem sie hälftig mithaften musste. Dennoch war die Hauptursache des Unfalls, dass sich die Klägerin stark betrunken vor das Auto gelegt hatte, weshalb sie zur anderen Hälfte haften musste. Unzurechnungsfähig war die Frau damit nach Ansicht des Gerichts aber nicht: Im Alter von fast 17 Jahren könne man die Alkoholwirkung einschätzen. Selbst dann, wenn man „typischerweise noch wenig Erfahrung im Umgang mit Alkohol hat und sich meist überschätzt.“
Zudem hatten Zeugen ausgesagt, dass die Klägerin schon in der Vergangenheit regelmäßig Alkohol konsumiert hatte, und auch ähnlich viel. Sie war aufgrund des Unfalls acht Tage im Krankenhaus und litt ein Vierteljahr an andauernden körperlichen Beeinträchtigungen. Das Gericht hielt daher ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000 Euro für angemessen. Durch ihren Schuldanteil von 50 Prozent erhielt die Klägerin aber nur 6.000 Euro von der Fahrerin.
Oberlandesgericht Karlsruhe
Aktenzeichen 14 U 267/21