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Fahrschulen steht Ausbildungswandel bevor

31.05.2022 10:05 Uhr | Lesezeit: 6 min
Der neue Vorstand des Fahrlehrerverbandes Westfalen (von links): Martin Fellmer, Christoph Polarczyk, Markus Klich-Beckmann und Volker Uflacker.
© Foto: Ulrich Lieber

Es war seine erste Fahrlehrerversammlung als Vorsitzender des Fahrlehrer-Verbandes Westfalen, und die hatte sich Martin Fellmer sicher anders vorgestellt. Gerade mal ein halbes Jahr im Amt musste er sich schon einem neuen Votum stellen, aus dem er aber gestärkt hervorging.

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Denn der Antrag auf seine Abwahl wurde von der Mehrheit der anwesenden Fahrlehrer abgelehnt. Damit bleibt Martin Fellmer im Amt und freute sich sichtlich über das erneute Votum zu seinen Gunsten. „Mir macht das richtig Spaß. Ich bedanke mich, dass ich im Amt bleiben darf.“ Zuvor war bereits ein Antrag auf Aberkennung des Ehrenvorsitzes für den langjährigen Vorsitzenden Friedel Thiele gestellt worden. Der wurde aber erst gar nicht zugelassen, denn diese Entscheidung sei laut Satzung allein vom Vorstand zu treffen und der sah dazu keinen Anlass.

„Wir müssen unseren Berufsstand verjüngen“

Dass es so turbulent werden würde, davon war zunächst nichts zu merken. Martin Fellmer eröffnete in der Stadthalle Werl die Versammlung und hatte gleich eine gute Nachricht zu verkünden. „Wir haben seit Oktober einen Zuwachs von sage und schreibe 50 Mitgliedern.“ 21 Schnuppermitglieder seien derzeit dabei, den Verband kennenzulernen. „Das ist eine starke Gemeinschaft“, versicherte Fellmer. Das große Problem bleibe aber die Altersstruktur, denn es fehle nach wie vor an jungen Fahrlehrern. „Wir müssen unseren Berufsstand verjüngen. Die jüngeren werden immer weniger, und die alten werden immer mehr. Wir haben nur 21 junge Leute unter 30 Jahren“, bedauerte der Vorsitzende. „Wir brauchen da verstärkte Anstrengungen.“ Ein Weg sei es, die Schnuppermitgliedschaften vor der theoretischen Prüfung anzubieten, denn nach bestandener Prüfung gingen die Fahrlehrer ins Praktikum und seien als Gruppe nicht mehr zu erreichen.

Ulrich Wibbeke, Geschäftsführer des Verkehrsinstitutes Bielefeld, freute sich darüber, dass so langsam wieder Normalität einkehrt. „Als wir die Möglichkeit hatten, alle Schüler wieder zurückholen zu dürfen, war eine große Freude und eine große Erleichterung da. Online geht, aber Präsenz ist besser“, versicherte Wibbeke. Er räumte ein, dass das Institut durch Corona auch eine schwierige Zeit durchlaufen hätte, vor allem durch die sich ständig ändernden Corona-Vorschriften. „Wir haben die Zeit aber auch genutzt und unsere Häuser noch schöner gemacht.“ Entsprechend wünscht sich der Geschäftsführer, schon bald alle wieder vor Ort begrüßen zu können, um die neuen Räumlichkeiten vorzustellen. Durch Corona sie auch das Verkehrsinstitut ein wenig „zwangsdigitalisiert“ worden und es sei mehr gegangen als gedacht. „Ich hoffe, dass wir diese Zeit nicht noch einmal erleben müssen.“ Der neue Direktionsbeauftragte der Fahrlehrerversicherung für Westfalen, Uwe Gerhards, stellte sich anschließend den Mitgliedern kurz vor.

Fahrlehrer als Mangelberuf

Fellmer berichtete, dass die Fahrschulen derzeit gut ausgelastet seien. „Wir sind gut durch diese Pandemie gekommen“, freute er sich. Allerdings stiegen derzeit die Kosten wie beispielsweise Benzinpreise und Löhne. Es gebe immer noch zu wenig ausgebildete Fahrlehrer, fuhr Fellmer fort, und ein Grund sei, dass freie Stellen nicht der Bundesagentur für Arbeit bekannt gegeben würden. So erkenne die Bundesagentur nicht, dass der Fahrlehrerberuf ein Mangelberuf ist. Er appellierte darum an alle Mitglieder, freie Stellen der Agentur für Arbeit zu melden, das sei auch der Wunsch der Fahrlehrerfachschulen. 

Die Fahrschulen haben laut Fellmer einen Ausbildungswandel vor sich. „Die Rede ist hier von Blended Learning, der Kombination aus E-Learning und Präsenzunterricht“, aber man könne nicht den Präsenzunterricht einfach auf den Online-Unterricht übertragen, warnte er. „Ich muss mir Gedanken machen über Aufbau, Struktur und Pädagogik. Das dürfte jedem klar sein. Wir brauchen da Ideen, und die müssen wir uns auch suchen“, sagte Fellmer. Durch Blendend Learning gebe es deutlich größere Lernerfolge als durch reinen Präsenzunterricht oder durch reines E-Learning.

Neu Website in Arbeit

Eine weitere Baustelle hat der Verband ebenfalls in Angriff genommen, denn die Homepage muss überarbeitet werden. „Wir hatten das Ziel, das bis zum 1. April hinzubekommen, aber wir haben das einfach nicht geschafft“, sagte Fellmer. Aber es werde nicht mehr lange dauern. Christoph Polarczyk hat die Aufgabe übernommen, sich um das Projekt zu kümmern und als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Der Internetauftritt werde moderner und der Zugriff schwieriger, um mehr Sicherheit zu gewährleisten. Parallel sei eine App entwickelt worden, die gemeinsam mit der neuen Homepage an den Start gehen soll. „Wir werden demnächst unsere PDFs, Schreiben und Newsletters in dieser App katalogisieren, damit Sie alles nachlesen können.“

Syndikus Heinz-Martin Hesker übernahm anschließend die Wahlleitung. Zu wählen war zunächst der erste stellvertretende Vorsitzende, denn Hans Offer stellte aus gesundheitlichen Gründen sein Amt zur Verfügung. Markus Klich-Beckmann wurde von der Versammlung gewählt. Auch Karl-Heinz Retko gab sein Amt als dritter Vorsitzender auf. Zu seinem Nachfolger wurde nach einer Stichwahl Volker Uflacker gewählt.

Viele Gründe für eine positive Grundstimmung

Nach der Pause eröffnete Kurt Bartels, stellvertretender Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände und gleichzeitig auch der erste Vorsitzende des Schwesterverbandes Nordrhein. Corona habe in vielen Bereichen extreme Veränderungen gebracht, die sich auch in den nächsten Jahren auf den Fahrlehrerberuf auswirken werden. Die Pandemie sei für alle eine Riesenherausforderung gewesen, aber alle haben die sich oft stündlich ändernden Vorgaben bestens umgesetzt. Derzeit sei wirtschaftliche Lage der Fahrschulen gut. „Die Auftragsbücher sind voll. Die Fahrschulen sind gut ausgelastet. Wir wissen natürlich nicht, wo der Zug aufgrund der wirtschaftlichen Eckdaten hinfährt.“ Erfreulich sei auch, dass die Löhne der Angestellten steigen. Das sei auch ein gutes Signal an den Nachwuchs. „Es gibt viele Gründe für eine positive Grundstimmung.“

Ein Thema, das schon seit vielen Jahren besprochen werde, seien die Fahrerassistenzsysteme. „Sie sind bei Neufahrzeugen nicht mehr wegzudenken“, sagte Bartels. Der Gesetzgeber habe ursprünglich eine Frist bis 2024 eingeräumt, bis dahin sollten alle Fahrschulen mit Fahrzeugen mit Fahrassistenzsystemen ausgerüstet sein. „Diese Frist ist ab 1. Juni ganz weg.“ Der Prüfer entscheide nun, wann diese Systeme eingesetzt werden. „Komme ich also mit einem Prüfungsfahrzeug, in dem die Systeme nicht verbaut sind, dann werden sie auch nicht geprüft. Das hat so ein bisschen das Geschmäckle einer Ungleichbehandlung“, ärgerte sich Bartels.

Onlineunterricht als Ausnahme

Ab dem 1. Juni ist der Präsenzunterricht wieder verpflichtend. „Der Online-Unterricht darf dann nur noch in begründeten Ausnahmefällen durchgeführt werden“, erklärte Bartels. In NRW gebe es noch eine Ausnahmeregelung bis zum 30. Juni, so dass hier der Online-Unterricht ab dem 1. Juli nicht mehr erlaubt sei. „Wir wehren uns in keinster Weise gegen eine wissenschaftlich begründete, schlaue Einführung und einer Kombination zwischen Präsenz und digital. Aber wir bilden junge Menschen für das komplizierte und hochsensible Sozialsystem Straßenverkehr aus, und das ist nicht virtuell. Das ist präsent.“ Die jungen Menschen sollten das vor Ort erleben, das sei tiefste Lern- und Sozialpädagogik, die online nicht zu vermitteln sei.

Das sehen auch die Fahrlehrer und die Fahrschüler so, wie eine repräsentative Umfrage zeige. „In dieser Studie ist klar herausgekommen: Über 90 Prozent der Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer sind vorranging für den Präsenzunterricht. Auch die Fahrschüler zu weit über 70, fast 80 Prozent sagen eindeutig: Präsenzunterricht ist wesentlich besser“, erklärte Bartels. Die Wissenschaft setze sich sehr genau mit dem Thema auseinander und sage, dass bestimmte digitale Lernformen den Unterricht unterstützen können. „Das nennt man Blended Learning.“ Es gebe bestimmte Dinge, die man mittels Blended Learning lernen kann, aber es müssen auch bestimmte Themenbereiche im theoretischen Unterricht in der Fahrschule bearbeitet werden. Bartels zeigte sich optimistisch, dass viele der wissenschaftlichen Begleiter den Berufsstand stärken wollen. Zum Schluss appellierte er an alle Fahrlehrer: „Wir müssen enger zusammenrücken, nur dann haben wir eine Chance, unseren Berufsstand nach vorne zu bringen.“

FAS in der Prüfung

Bernd Rimpl überbrachte die Grußworte des TÜV Nord. Er hatte die aktuellen Statistiken mitgebracht und erläuterte die Zahlen. Die Anzahl der Prüfungen habe sich in 2021 leicht erhöht. Bernd Rimpl hatte sich Verstärkung mitgebracht, und Detlef Schwarze übernahm die weiteren Ausführungen. Er ging noch einmal auf die Prüfungen mit Fahrerassistenzsystemen ein, die ab dem 1. Juni stichprobenartig geprüft würden. „Der Sachverständige entscheidet, welche Systeme geprüft werden“, sagte Schwarze. Er bat die Fahrlehrer darum, künftig das Datenblatt mit der Auflistung der Assistenzsysteme bei der Prüfung dabeizuhaben. Dieses gebe es beim Fahrschulservice des TÜV. 

2021: Das Jahr der Naturkatastrophen

Stefan Kottwitz vom Vorstand der Fahrlehrerversicherung berichte über die aktuelle Situation. In den Zeiten des Lockdowns habe die Versicherung ein Hilfspaket geschnürt und die Prämien zurückerstattet. Dem folgte ein zweites Hilfspaket mit Rückerstattungen in Höhe von acht Prozent, das im August 2021 gestartet ist. Neben Corona war das Jahr 2021 das Jahr der Naturkatastrophen – unter anderem auch im Ahrtal. „Der Klimawandel ist da und zeigt sich auf eindrucksvolle Weise“, sagte Stefan Kottwitz. Doch trotz allem sei die Fahrlehrerversicherung dank guter Rückversicherungen gut durchs Jahr gekommen. Neben einigen neuen Tarifen stellte Stefan Kottwitz auch einen kostenlosen Versicherungsschutz für Flüchtlinge aus der Ukraine vor. Er bat die Fahrlehrer darum, vor Fahrten an die ukrainische Grenze um Rücksprache mit der Fahrlehrerversicherung.

Digitale Antragsstellung

Zum Abschluss stellte Christoph Felix, Sachgebietsleiter des Straßenverkehrsamtes Steinfurt, die „Ablauforganisation und Digitalisierung im Bereich Fahrerlaubnisrecht am Beispiel des Kreises Steinfurt“ vor. Der Kreis Steinfurt hat den Ablauf der Antragstellung optimiert und damit die Zeit von der Antragstellung bis zur Prüfung deutlich verkürzt. Die Antragstellung läuft dabei online über die FAO-Software und kann jederzeit und ohne Verzögerung vorgenommen werden. „Die Bearbeitung erfolgt dann umgehend durch die Fahrerlaubnisbehörde“, sagte Christoph Felix. Der Prüfauftrag wird dann digital an den TÜV abgegeben, und die Vorläufige Fahrberechtigung (VF) wird an den TÜV übersendet. Die automatisierte Versendung des Führerscheins erfolgt per Direktversand durch die Bundesdruckerei. „Von der Antragstellung bis zur eventuellen Prüfung vergehen zwei bis maximal zehn Tage“, versicherte Jana Göcking, die den zweiten Teil des Vortrages übernommen hatte.

„Wahnsinn, ich verlege meine Fahrschule in den Kreis Steinfurt“, zeigte sich Martin Fellmer sehr beindruckt. Das sei wirklich schnell und unkompliziert. Damit beendete der Vorsitzende die Versammlung des Fahrlehrerverbandes Westfalen und wies schon auf das Jubiläum des Verbandes zum 70. Geburtstag im Jahr 2023 hin.


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