„Wir alle freuten uns auf diesen Verbandstag live“, begrüßte Verbandsvorsitzender Jochen Klima die Mitglieder seines Verbands und die geladenen Gäste bei der Mitgliederversammlung in Friedrichshafen. Nach dem im Jahr 2020 die Mitgliederversammlung ausgefallen und im vergangenen Jahr nur intern stattgefunden hatte, freute sich Klima in diesem Jahr umso mehr, 450 Verbandsmitglieder, Begleitpersonen, Fahrlehreranwärter und Gäste im Graf-Zeppelin-Haus begrüßen zu dürfen. Nicht nur der Ukraine-Krieg und die steigenden Energiekosten trieben den Verband um, auch Themen wie Online-Unterricht und die Zusammenarbeit mit dem TÜV Süd kamen zur Sprache.
„Absagen, Verschiebungen, Änderungen, Neuplanung – von diesen Schlagworten waren die letzten zwei Jahre geprägt“, sagte Jochen Klima und spielte dabei auf die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Schwierigkeiten für Fahrschulen, Fahrlehrer und den Verband an. Doch nicht nur die Pandemie hat den baden-württembergischen Fahrlehrerverband beschäftigt, auch Themen wie Fahrerassistenzsysteme in der praktischen Prüfung, die 15. Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, die Optimierte Praktische Fahrerlaubnisprüfung (OPFEP) und die explodierenden Kraftstoffpreise standen im Fokus.
Beruf wird weiblicher
Trotzdem konnte Klima Positives berichten: So gab es einen spürbaren Zuwachs an praktischen Prüfungen trotz verlängerter Prüfzeiten. „Aber da ist noch Luft nach oben“, betonte der Verbandsvorsitzende, denn an die Zahlen von 2019 reiche die Quote noch immer nicht heran. Sorgen machen Klima die hohen Nichtbestehens-Quoten der theoretischen Prüfung. So bestünden rund 40 Prozent der „Ersterteiler“ und 40 Prozent der „Umschreiber“ nicht auf Anhieb – deshalb könne es sinnvoll sein, bei Umschreibern eine Mindestausbildung vorzuschreiben. Positiv vermerkte er den Zuwachs an angestellten Fahrlehrern. Auch der Anteil von Fahrlehrerinnen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. „Ich finde es sehr erfreulich, dass der Beruf weiblicher wird“, sagte Klima. Die Zahl der selbstständigen Fahrlehrer sei aber rückläufig – es gebe einen Trend zu weniger, aber größeren Fahrschulen. „Der größte Teil der Fahrschulen hat gleichwohl nach wie vor bis zu vier Betriebsstellen.“ Nachholbedarf sieht der Verbandsvorsitzende bei den angestellten Fahrlehrern im Land: Der Verband müsse für diese attraktiver werden, forderte er. Nur etwa zehn Prozent dieser Gruppe seien Mitglied im Verband, was „sehr schade“ sei.
Antrag zum Online-Unterricht
Eine längere Debatte entstand bei der Abstimmung über den Antrag einiger Mitglieder, der Vorstand des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg solle das baden-württembergische Verkehrsministerium auffordern, die am 31. Mai 2022 auslaufende Genehmigung für coronabedingten Online-Unterricht zu verlängern und den Theorie-Unterricht auch in hybrider Form zuzulassen. Das lehnten jedoch die Mitglieder mit einer klaren Mehrheit ab: Ein Großteil sieht die Zukunft des Theorieunterrichts demnach klar im Präsenzunterricht.
Marcellus Kaup, Leiter der technischen Prüfstelle vom der TÜV SÜD Auto Service GmbH, informierte anschließend über die ab 1. Juni 2022 vorgesehene Integration von Fahrerassistenzsystemen (FAS) in die praktische Fahrerlaubnisprüfung der Pkw- und Schwerfahrzeugklassen. Kaup betonte, hierbei eng mit den Fahrschulen zusammenarbeiten zu wollen, um gemeinsam einen schrittweisen und einfachen Einstieg in die Thematik zu bekommen und FAS in der Prüfung „gemeinsam nutzen zu lernen“. Er plädierte außerdem dafür, FAS nur zu prüfen, wenn es sinn- und funktionsgerecht erfolgt.
Klima bezieht Position
Nach dem internen Teil für Verbandsmitglieder ging es direkt weiter mit dem öffentlichen Teil des Verbandstags. Zunächst begrüßte Jochen Klima die zahlreich erschienenen geladenen Gäste – so war mit Jürgen Kopp, Kurt Bartels und Ralf Nicolai auch der gesamte Bundesvorstand der BVF in Friedrichshafen anwesend. In seiner Rede thematisierte Klima zunächst den Krieg in der Ukraine und dankte allen Fahrschulen, die Geld- und Sachspenden oder ihre Lkws und Busse für Hilfslieferungen zur Verfügung stellen. „Dafür gebührt allen Beteiligten unser Respekt und ein herzliches Dankeschön“, sagte er. Er betonte zudem, dass es sinnvoll sei, Ukrainisch in die Staatenliste der Anlage 11 FeV für eine erleichterte Umschreibung ukrainischer Fahrerlaubnisse mit aufzunehmen. Klima ging weiter darauf ein, dass die durch den Krieg explosionsartig gestiegenen Kraftstoffpreise, die der Branche schwer zu schaffen machen und sich deshalb auf das Preisgefüge der Fahrschulen auswirken werden.
Auch an den TÜV Süd richtete Klima das Wort. Er betonte die grundsätzlich gute Zusammenarbeit – dennoch gebe es hin und wieder Beschwerden, dass sich einzelne Prüfer nicht an die neuen Prüfungszeiten und deren Aufteilung nach Anlage 7 FeV hielten. Teilweise komme dabei vor allem das Rückmeldegespräch zu kurz. Bereits im internen Teil der Versammlung war zu diesem Thema unter den Mitgliedern diskutiert worden. „Da muss nachgearbeitet werden“, fordert er. „Allerdings – das ist deutlich zu spüren – hat die Anzahl der Beschwerden in den letzten Wochen stark nachgelassen.“ Lediglich die Marktgebiete Stuttgart und Bodensee-Oberschwaben hätten bei der Versorgung mit Prüfplätzen noch Nachholbedarf. Außerdem sollten die Buchungs- und Stornofristen aus Sicht der Fahrlehrerschaft generell flexibler gestaltet werden – das gelte vor allem für den kurzfristigen Austausch eines Bewerbers, der beispielsweise von seinem Arbeitgeber nicht für die Prüfung freigestellt wird. Zudem erwarte der Verband grundsätzlich, dass der TÜV jederzeit ausreichend Prüfplätze zur Verfügung stellt und sich gegenüber den Fahrschulen des Landes wie ein moderner, kundenorientierter Dienstleister verhält.
Klima bezog auch Stellung zur Einbeziehung von Fahrerassistenzsystemen in die praktische Fahrausbildung und -prüfung. Es sei wichtig, dass Bewerber mit diesen Systemen vertraut gemacht werden, sagte er, warnte aber auch davor, aus diesem Thema einen alle anderen für die Verkehrssicherheit relevanten Themen überlagernden Schwerpunkt zu machen. Klima betonte, dass der Verband das Gespräch mit dem TÜV suchen und sich für eine behutsame Einführung mit Augenmaß einsetzen wird.
Miteinander sprechen
Im Anschluss hatte Jochen Krebs, Leiter der Service Line Fahrerlaubnis beim TÜV SÜD, Gelegenheit, Stellung zu beziehen. Auch der TÜV hatte durch die Corona-Pandemie schwierige Jahre hinter sich: „Der Druck von außen ist immer weiter gewachsen in zwei Jahren Pandemie.“ Durch Corona habe sich die Zahl an nicht erschienen Bewerbern verdreifacht. Er richtete deshalb seine Bitte an die Fahrlehrer, dass diese an ihre Fahrschüler appellieren, ihre Prüfplätze zu nutzen. Krebs bat darum, dass der TÜV SÜD Feedback von den Fahrlehrern erhält, wenn etwas nicht wie gewünscht läuft – wie beispielsweise zu kurze Rückmeldegespräche mit den Prüfern. TÜV und Fahrschulen sollten hier miteinander sprechen und Probleme gemeinsam aus der Welt schaffen.
Veränderung ist nicht doof
Auch wenn die Mitgliederversammlung ohne coronabedingte Beschränkungen stattfinden konnte, hat das Virus den Planungen dennoch einen Strich durch die Rechnung gemacht: Krankheitsbedingt konnte Keynote Speaker und Fahrlehrer Michael Schubart seinen Vortrag nicht halten. Stattdessen schickte er mit seinem Kollegen Rainer Krumm einen kurzfristigen Ersatz. Unter dem Motto „Change ist doof“ erklärte Krumm den Anwesenden, dass Veränderungen zwar herausfordernd seien und nicht immer jedem gefallen, sie jedoch oftmals nötig sind. Wer frühzeitig die Weichen für die Zukunft stelle und Veränderungen nicht scheue, könne langfristig Erfolg haben, rief er den Fahrlehrern zu.
Auch der Vorsitzende der BVF, Jürgen Kopp, begann seine Rede mit ein paar ernsten Worten zum Ukraine-Krieg und dankte den Fahrlehrern, die sich persönlich engagierten. Er betonte noch einmal die besondere Bedeutung von Präsenzunterricht und verwies in diesem Zuge auf eine neue, unabhängige Moving-Studie, die belege, dass Präsenzunterricht das Erlernte nachhaltiger mache als Distanzunterricht. Zudem richtete er eine dringende Bitte an alle jüngeren Fahrlehrer: BVF und Deutsche Fahrlehrer-Akademie suchen stets junge Kollegen zur Mitarbeit in verschiedenen, überregionalen Arbeitskreisen - zum Beispiel zur Zukunft der Fahrschulen in Deutschland. Wer an einem solchen Engagemant interessiert sei, solle sich an die jeweiligen Landesvorsitzenden der Fahrlehrerverbände wenden.
Den Abschluss des öffentlichen Versammlungsteils machte Stefan Kottwitz, Vorstandsmitglied von der Fahrlehrerversicherung. Er zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis des vergangenen Jahres – eines Jahres, das als größtes Naturgefahrenschadenjahr gilt. Kottwitz stellte die neue Tarifstruktur und neue Versicherungsprodukte vor, die im Verlauf des Jahres verfügbar sein sollen, so beispielsweise eine neue private Unfallversicherung und eine neue Gebäudeversicherung. Fahrlehrer, die mit einem Lehr-Lkw für HiIfslieferungen an die ukrainische Grenze fahren, sollen dies bei der Fahrlehrerversicherung melden, appelliert er an die Anwesenden. Kostenfrei aufgenommene ukrainische Flüchtlinge sind in der Haftpflicht- und Hausratversicherung ohne Mehrkosten mitversichert, wenn sie der Versicherung gemeldet werden.
Zum Ausklang des Verbandstages trafen sich zahlreiche Mitglieder und Gäste im Foyer des Graf-Zeppelin-Hauses bei gutem Essen, Getränken und Musik der DJs zu einer fröhlichen, vom Verlag Heinrich Vogel und der DATAPART-Factoring GmbH finanziell unterstützten After-Work-Party.