Im Fall, vom dem das Anwaltsregister berichtet, verließ eine 15-Jährige Fahrradfahrerin den Radweg, auf dem sie fuhr, querte ein Stück Gehweg und kam auf eine Straße. Dort kollidierte sie mit einem Auto.
Es kam zum Streit über Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche der Radlerin, die behauptete, der Autofahrer sei zu schnell auf der unübersichtlichen Straße unterwegs gewesen. Außerdem habe sie am Gehweg angehalten, ehe sie auf die Straße fuhr. Der Autofahrer wiederum behauptete das Gegenteil: Er sei 32 km/h – also langsam – gefahren, die Radfahrerin habe nicht auf die Vorfahrt des Autofahrers geachtet.
Das Gericht gab dem Autofahrer Recht. In der Beweisaufnahme kam heraus, seine Angaben stimmten: Er habe Vorfahrt gehabt und sei nicht zu schnell unterwegs gewesen, bestätigten die Richter. Außerdem sei er auch nicht verpflichtet gewesen, Schrittgeschwindigkeit zu fahren, da er die Radlerin aufgrund einer Hecke gar nicht habe bemerken können.
Die junge Radfahrerin kam dagegen vor Gericht nicht gut weg: Sie musste aufgrund erheblicher Sorgfaltsverstöße für den Unfall allein haften. Ein Gutachter stellte fest, dass sie bei der Kollision 15 km/h gefahren sei. Das sei nicht vereinbar mit der Aussage, sie habe vor der Kollision am Gehweg angehalten. So schnell aus dem Stand könne man nicht beschleunigen, sagte der Gutachter. Außerdem habe sie die Vorfahrt des Autos missachtet, auf die sie durch ein „Vorfahrt gewähren“-Schild hingewiesen worden sie. Dessen Bedeutung habe eine 15-Jährigen kennen müssen.
Oberlandesgericht München
Aktenzeichen 10 U 2847/20
Andrea Schmidt