Im konkreten Fall, über den das Anwaltsregister auf seiner Webseite berichtet, hatte eine Fahrerin im dichten Verkehrsgewusel auf Straßenbahngleisen angehalten, um abzubiegen. Eine von hinten herannahende Straßenbahn stieß mit dem Auto zusammen. Der Halter des Autos forderte daraufhin 10.000 Euro Schadenersatz, das Verkehrsunternehmen wiederum 35.000 Euro. Der Autohalter begründete seine Forderung damit, dass der Straßenbahnfahrer noch hätte anhalten können. Die Gegenseite argumentierte, dass die Autofahrerin das Gleis hätte räumen müssen und nicht hätte stehenbleiben dürfen. Die Sache ging vor Gericht. Dort wurden ein Zeuge und ein Gutachten zurate gezogen. Daraus ergab sich, dass das Auto bereits mindestens 20 Sekunden vor dem Zusammenstoß stillstand. Durch einfaches Bremsen hätte der Straßenbahnfahrer den Unfall verhindern können, so der Gutachter. Das wäre möglich gewesen, ohne Fahrgäste zu gefährden.
Alleinige Schuld beim Straßenbahnfahrer
Das Gericht sah das Verschulden deshalb beim Straßenbahnfahrer – obwohl Straßenbahnen Vorrang hätten und Fahrzeuge sie möglichst durchlassen müssen. Dennoch sei das Ausweichen der Autofahrerin auf die Schienen nicht bedenklich, wenn – wie in diesem Fall – die Straßenbahn noch weit entfernt ist. Der Straßenbahnfahrer hätte nicht darauf vertrauen dürfen, dass der Bereich der Gleise rechtzeitig frei würde. Vor allem bei unklarer Verkehrslage entfalle dieser sogenannte Vertrauensschutz. Der Fahrer wäre vielmehr verpflichtet gewesen, bei Bedarf eine Vollbremsung einzuleiten. Der Straßenbahnfahrer musste alleinig haften, wobei auch die erhöhte Betriebsgefahr einer schwerfälligen Straßenbahn ins Gewicht fällt.
Landgericht Freiburg
Aktenzeichen 6 O 161/21